0543 - Die Fliegen-Königin
mehr.«
»Haben sich neue Gäste angesagt?«
Klein strich durch sein noch volles Haar. Er war einmal schwarz gewesen, jetzt aber besaß es eine grauweiße Farbe. »Es müßten noch zwei Männer eintreffen.«
»Die Engländer?«
»Richtig.«
Elvira verzog die Lippen. »Von denen hat doch einer so einen komischen Namen.«
»Suko.«
»Stimmt.«
Herbert Klein hob die Schultern. »Ich weiß es nicht. Vielleicht ist es ein Farbiger.«
»Das klingt nach Asien.«
»Kann auch sein.«
»Okay, ich bin dann weg.«
»Viel Spaß noch.«
»Danke.« Sie trat hinaus, schaute zum Himmel und entdeckte bereits den blassen Mond. Nicht mehr lange, dann änderte sich sein Licht, und er würde in einem satten Gelb scheinen. Die Luft roch frisch und gleichzeitig würzig. Es war gesund, hier in den Bergen zu leben. Vorausgesetzt, man liebte Fliegen, und tötete sie nicht, wenn Elvira in der Nähe war und Zeugin wurde.
Der Wagen stand hinter dem Haus, wo Elviras Vater einen Carport gebaut hatte. Den Schlüssel trug die Frau bei sich. Sie stieg ein und rangierte das Fahrzeug rückwärts aus dem Unterstand.
Hinter einem Fenster stand Peter Garner und schaute ihr nach. Er hatte die Hände geballt, die Gedanken drehten sich um Elvira. Wo mochte sie hinfahren? Nach Vaduz, wo es einige Lokale gab, in denen man sich richtig austoben konnte? Oder nach Österreich.
Auch bis zum Bodensee war es nicht weit.
Er liebte sie. Peter hatte dies erst in den letzten beiden Jahren festgestellt. Aus den Kindern waren Erwachsene geworden, die Gefühle hatten sich verändert. Aus Sympathie war Liebe geworden. Nicht ohne Grund hatte der Mann den Job im Hotel angenommen. Nur hatte er sich nie getraut, ihr das zu gestehen. Er bewunderte sie aus der Ferne, war glücklich, wenn sie sich zu ihm setzte und von anderen Zeiten sprach. Er litt unsäglich, wenn sie mit anderen Männern flirtete.
Der Engländer war einer dieser Fälle gewesen. Dem hatte sie sich an den Hals geworfen. Sie waren gemeinsam verschwunden. Man munkelte von Waldlichtungen und Schwimmbädern. Peter hatte sich nicht getraut, sie danach zu fragen. Wenn sie von allein keine Antworten auf nicht gestellte Fragen und Erklärungen abgeben wollte, sollte sie es lassen. Irgendwann mußte sie einfach merken, was mit ihm los war und wieviel sie auch für ihn bedeutete.
Außerdem war sie sehr launisch. Mal zeigte sie sich von einer frostigen, abweisenden Seite, dann wiederum konnte sie lieb sein und Peter regelrecht umgarnen.
Elvira Klein war seinen Blicken längst entschwunden, als Peter sich abwandte und seiner Arbeit nachging, die auch getan werden mußte. Wer für die Bar Verantwortung trug, der mußte auch zusehen, daß alles bereitstand. Er füllte Kühlschränke und Eisboxen nach, stellte Gläser griffbereit hin und wartete auf die ersten Gäste.
Zwei Männer aus London hatten sich angemeldet. Schon wieder Engländer, dachte er. Hoffentlich riß sich seine Angebetete bei denen zusammen und warf sich keinem an den Hals.
Elvira Klein dachte nicht an ihn. Sie befand sich zwar außer Sichtweite, aber nicht auf dem Weg nach Vaduz. Das Ziel hatte sie nur als Vorwand angegeben. Längst fuhr sie über die graue Piste den Berg an, auf den es ihr ankam.
Noch war der Wagen gut sichtbar. Nach zwei weiteren scharfen Kurven deckte ihn ein Berghügel ab. Die Gegend war einsamer geworden. Bewohnte Häuser standen auf diesen Hängen nicht mehr, nur Hütten, in denen Heu lagerte.
Elvira peilte den Hochwald an. Der zog sich an der gesamten Felswand entlang, er deckte sie mit ihren Höhlen und Spalten gut ab.
Wenn Wanderer diese Region erreichten, kehrten sie fast immer um, weil der Fels einfach zu steil war.
Bäche flossen aus den Hochregionen hinab in die Täler. Nicht weit entfernt schäumte ein Wasserfall als lange helle, nie abreißende Zunge in die Tiefe.
Elvira Klein hatte den Weg verlassen müssen und scheuchte den Wildcat quer durch das Gelände. Die Reifen zeichneten Spuren in den Boden. Vögel flatterten hastig hoch, als das Brummen des Motors ihre vorabendliche Ruhe störte.
Sie fuhr parallel zum Wald, der genügend Lücken besaß. Um hindurchsehen zu können. Hinter den Bäumen schimmerte der Fels. Er sah düster aus, denn die Sonne erreichte ihn nicht mehr.
Elvira kannte genau die Lücke, in die sie den Wagen lenken mußte. Ein schmaler Weg, im Sommer oft zugewachsen, was sie nicht weiter störte.
Schaukelnd fuhr sie weiter.
Tiefhängende Zweige hämmerten gegen die Karosserie oder
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