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0544 - Der Bleiche

0544 - Der Bleiche

Titel: 0544 - Der Bleiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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überall. Selbst an ihren Ohren, in den blonden Haaren, sie strichen über die Stirn ebenso wie über die Augenbrauen.
    Mandy atmete heftig. Den Kopf hielt sie zur Seite gedreht, weil sie nicht in das helle, maskenhaft starre Gesicht schauen wollte, das nicht mehr als eine starre Fratze war. In den Augenhöhlen glühten die Pupillen in einem stärkeren rot. Sie zeichneten die Umrisse so genau nach, als hätte ein Maler seinen feinen Pinsel geschwungen.
    Sein Ausstrahlung war grausam, sie raubte dem Mädchen den Atem, und wieder erinnerte sie die Gestalt an das Versprechen, das sie vor deren Tod gegeben hatte.
    »Du wolltest immer zu mir halten«, vernahm sie das scharfe Wispern. »Jetzt mußt du es beweisen.«
    »Was soll ich denn tun?«
    »Mir zeigen, wie sehr du mich magst. Du wirst…« Was er vorschlagen wollte, sprach er nicht mehr aus, weil etwas geschehen sein mußte, das ihn irritierte.
    Er trat plötzlich einen Schritt zurück. Die Kälte entschwand. Sofort fühlte sich Mandy besser. Sie wunderte sich gleichzeitig über die Reaktion des Bleichen, der sich auf der Stelle drehte. Der Nebel, aus dem seine Gestalt bestand, geriet in kreisende Bewegungen, als wollte er sich in den Boden bohren. Gleichzeitig schüttelte Luke Benson unwillig seinen hellen Schädel.
    Die nächste Frage zu stellen, kostete Mandy Fox Überwindung.
    »Was hast du?«
    »Etwas ist im Haus. Ich habe es gespürt. Es ist da. Es ist an meinem Spiegel…«
    »Wieso?«
    »Zeigt!« flüsterte er. »Zeigt, daß ihr zu mir haltet. Alle, die mich kennen, müssen das Beweisen.«
    »Wie denn?« rief Mandy.
    »Tötet diese Feinde!« befahl er.
    Mandy Fox nickte…
    ***
    Eine Etage unter ihr wohnte das Ehepaar Ruth und Jack Winslow.
    Die Winslows gehörten zu den älteren Mietern. Jack hatte die Sechzig bereits überschritten, während Ruth erst 58 Jahre alt war. Als Beruf gab Mr. Winslow Pensionär an. Er hatte für die Stadt gearbeitet und erlebte nun seit einem Jahr seinen Ruhestand.
    Ruth Winslow gehörte zu den Frauen, die auch in etwas reiferen Jahren noch Aktivitäten zeigte. Sie hielt auf ihre Figur und hatte zahlreiche Freundinnen, mit denen sie in den Turnverein ging.
    Jack blieb am liebsten zu Hause. Er war ein Mensch, der schon am Morgen in die Glotzkiste schaute und sie erst am späten Abend ausschaltete. Im letzten Jahr hatte er Fett angesetzt. Zehn Kilo trug er mehr mit sich herum.
    Auch an diesem Abend hockten die Winslows vor der Flimmerkiste. Der Film war uralt, gehörte in die glorreichen Zeiten Hollywoods und war schon einige Male gesendet worden.
    Ruth, die aufgrund ihres blond gefärbten Haares und des kurzen Schnitts jünger aussah, schaute nicht hin. Sie strickte und freute sich darüber, daß Kühle in die Wohnung drang. Von der Straße her drangen kaum Verkehrsgeräusche zu ihnen hoch. Wer am Abend noch mit seinem Wagen fuhr, der wohnte auch hier.
    Jack streckte die Beine aus und legte die Hände hinter seinen Nacken. Dann gähnte er.
    Das fiel seiner Frau auf. »Wovon bist du nur so müde?« erkundigte sie sich.
    »Keine Ahnung.«
    »Ich weiß es.«
    »Ach ja?«
    »Vom langen Starren in die Glotze. Es macht müde, immer auf dem Bildschirm zu schauen.«
    »Woher weißt du das denn?« erkundigte er sich desinteressiert.
    »Ich habe es gelesen. Es gibt Wissenschaftler, die sich damit beschäftigt haben. Sie stellten fest, daß…«
    Er winkte ab. »Hör auf!«
    »Davon willst du nie etwas wissen.«
    »Genau.«
    »Hast du vor, jeden Abend im Sommer vor der Glotze sitzend zu verbringen?«
    Jack starrte gegen die Decke, die auch mal wieder hätte gestrichen werden müssen, wie er feststellte. »Nein, nicht jeden Abend. Wenn das Wetter besser wird, gehe ich nach draußen in den Hof.«
    »Ohne oder mit?«
    Er lachte. »Mit dem Apparat natürlich.«
    »Auf so dumme Ideen kannst auch nur du kommen – ehrlich.«
    Jack Winslow hob nur die Schultern und strich durch sein schütteres Haar. Er hatte keine Lust mehr, sich mit seiner Frau über das Thema zu unterhalten. Es war ihm einfach zu abgedroschen.
    Zeit verging. Nach einer Viertelstunde wurde Jack Winslow so unruhig, daß es selbst seiner Frau auffiel. »Was hast du denn?«
    »Ich weiß auch nicht.«
    »Dann bleib still sitzen. Dein Wackeln irritiert mich.«
    Er schwieg. Wieder vergingen einige Minuten. Plötzlich fragte er:
    »Was hast du gesagt?«
    Ruth drehte den Kopf. »Ich gesagt?«
    »Ja, du hast etwas zu mir gesagt.«
    »Das bildest du dir ein.«
    »Nein!« protestierte Jack.

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