0548 - Knochen-Cowboy
entgegen, das war alles.
Selbst nach diesen Aufregungen überkam mich Müdigkeit. Wenn man immer im Streß lebt, so wie ich, da muß man jede Stunde nutzen. Ich schloß das Fenster, um vor unliebsamen Überraschungen sicher zu sein und legte mich rücklings auf die durchgelegene Matratze.
Allmählich fielen mir die Augen zu. Ich kämpfte auch nicht gegen das Gefühl an, sondern ließ mich in einen tiefen, bleiernen Schlaf entführen. Der warme, schwüle Tag forderte einfach seinen Tribut.
Nicht einmal der Gedanke an ein Skelett konnte mich wachhalten…
***
Auch Link McAssig war in seinen Schlafraum gegangen. Er kam ihm sehr leer vor ohne den Schrank. Das Möbelstück lag noch immer unten im Flur. Der Wirt hatte sich vorgenommen, es irgendwann zu zerhacken, falls er überlebte.
Davon war er noch nicht überzeugt.
Obwohl er auf John Sinclair setzte und ihm auch einiges zutraute, ließ sich das Gefühl der Angst bei ihm nicht unterdrücken. Er hatte das Gewehr mitgenommen, stand am Fenster, starrte in die Dunkelheit und suchte dort nach verdächtigen Bewegungen.
Ihm fiel nichts auf.
Unbeweglich lag die Landschaft vor seinen Blicken. Noch immer drückte die Luft, es war schwül.
McAssig wußte, weshalb John Sinclair auf seinen Koffer verzichtet hatte. Bestimmt legte er sich in voller Kleidung auf das Bett. Das tat ihm der Wirt nach. Nicht einmal die Schuhe hatte er ausgezogen.
Sinclair war ein Mann mit guten Nerven. Sicherlich schaffte er es sogar, einzuschlafen. Im Gegensatz zu McAssig. Er fand keinen Schlaf, weil er einfach zu aufgeregt war und die Ereignisse der Vergangenheit noch durch seinen Kopf spukten.
Er kam von dem Anblick des Skeletts nicht los. Wie gemalt stand dieser Knochen-Cowboy vor seinem geistigen Auge. Er war gekommen, hatte getötet und war wieder gegangen.
Weshalb war er nicht geblieben? Der Wirt erinnerte sich daran, ihn mit einer Kugel erwischt zu haben. Aufgehalten hatte das Geschoß dieses Monstrum nicht. Auch McAssig wäre eine Leiche gewesen, wenn dieser John Sinclair nicht erschienen wäre.
Der Mann mußte etwas Besonderes sein. Der Wirt konnte sich vorstellen, daß Clusky auch mit zwei Gegnern fertig geworden wäre.
Für ihn bedeutete das keine Schwierigkeit.
Weshalb war er dann verschwunden? Hatte ihm der Mann aus London Furcht eingejagt?
Unruhe erfaßte Link. Er wälzte sich mühsam auf die Seite. Im Raum war es stickig und schwül. Aus Angst vor einer Rückkehr des Skelettes hielt er das Fenster geschlossen. Er schloß die Augen und malte sich in seiner Phantasie die schlimmsten Dinge aus. Das peitschte ihn noch stärker hoch, der Herzschlag beschleunigte sich, er fand einfach keine Ruhe, setzte sich hin und starrte zu Boden.
Schweiß tropfte von seinem Gesicht. Der Raum schien sich für ihn in eine dschungelschwüle Fieberhölle verwandelt zu haben. Die Luft drückte so stark, daß er sie kaum einatmen konnte. Kopfschmerzen plagten ihn. Sie begannen im Hinterkopf und zogen sich im Halbbogen vor, bis sie die Stirn erreichten.
McAssig stand auf. Er konnte nicht mehr auf der Bettkante hocken. Etwas trieb ihn zum Fenster.
Wie ein Betrunkener wankte er durch den Raum. Dabei bewegte er die Arme, als wollte er die stehende Luft zur Seite schaufeln. Mit beiden Händen stützte er sich auf der klebrigen Fensterbank ab, ließ einige Sekunden verstreichen, bevor er das Fenster aufzog.
Die Luft draußen war kühler. Sie tat ihm gut. McAssig beugte sich vor. Hatte sich etwas verändert?
Noch immer stand der Mond am Himmel. Ein blaß leuchtendes, gefährliches Auge, das alles beobachtete und sicherlich dem Bösen noch mehr Kraft verleihen würde.
Der Wirt schaute an der Hauswand entlang in die Tiefe. Die Schatten nahe des Hauses erinnerten an gefrorene, schwarze Wellen. Sie bedeckten den Boden, sie ließen alles verschwinden, verdeckten die Natur, aber es wuchs auch aus ihnen etwas hervor.
Ein länglicher Gegenstand…
Zunächst dachte McAssig an eine Täuschung. Er rieb über seine Augen, zwinkerte, schaute noch einmal nach und mußte feststellen, daß er sich nicht getäuscht hatte.
Der Gegenstand blieb.
Er war neu für ihn. Am gestrigen Tag hatte er dort noch nicht gestanden und in der Nacht auch nicht.
McAssig wollte es genau wissen. Er zog sich zurück, nahm das Gewehr an sich und auch seine Taschenlampe, die er ebenfalls mit hochgebracht hatte.
Vor Aufregung hatte er noch feuchtere Hände bekommen, als er die Lampe einschaltete, den Arm vorstreckte, die Hand drehte
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