0549 - Amors Teufelspfeile
Die Gedanken peinigten ihn. Der Teufel hatte stets von großen Siegen gesprochen, aber nicht von Niederlagen. Die wollte er auf keinen Fall einstecken, deshalb mußte er handeln.
Die Liebe sollte ausgerottet werden!
Davon ging der veränderte Amor aus. Noch einige Minuten wartete er ab, bevor er die Deckung verließ, aber noch zwischen den Tannen wartete. Da er nicht sehr groß war, gelang ihm dies leicht.
Grau schimmerte seine Haut, grau wie der Stein. Auch der Bogen, der geschwungene Lendenschurz, der Köcher, die Pfeile. Nur in seinen Augen stand ein anderer Ausdruck, auch farblich konträr zum Grau der Haut. Sie leuchteten rötlich, noch nicht so stark, mehr rosa angehaucht. Die Brauen darüber hatten sich verschoben, der Gesichtsausdruck glich dem eines haßerfüllten kleinen Bastards.
Entdeckt werden wollte er nicht so schnell. Deshalb erschien es ihm zu riskant, sich dem Haus von vorn zu nähern. Er wollte sich der Rückseite zuerst nähern.
Besondere Aufmerksamkeit schenkte er den Fenstern. Das Glas schimmerte matt, als wollte es ihm eine Botschaft überbringen. Niemand zeigte sich hinter der Scheibe, keine Gardine wurde bewegt oder geriet durch leichte Berührung ins Zittern.
Das große Haus wirkte so, als wäre es unbewohnt. Der langsam heranschleichende Amor wußte es besser. Sein Oberkörper war gedrungen, durch die großen Flügel wirkten die Proportionen fast lächerlich. Nur hätte man sich hüten sollen, über ihn zu lachen. Der Tod war manchmal schneller als ein flüchtiger Gedanke.
Der teuflische Amor erreichte die Rückseite. Ein wenig verärgert schüttelte er den Kopf, da er einen großen Garten sah, der die Terrasse umschloß, wo er keine Deckung finden konnte.
So frei über die Terrasse zu gehen, das paßte ihm überhaupt nicht.
Also mußte er einen anderen Weg wählen, um an die Fenster zu gelangen. Das des Wohnraums war am größten. Es nahm fast die gesamte Breite des Raumes ein. Von dort besaß der Sitzende auch einen hervorragenden Blick in den Garten und konnte alles sehen.
Für den Amor war das nichts. Er wolle woanders hin. Natürlich besaß der relativ hohe Bungalow noch mehr Zimmer, zu denen die entsprechenden Fenster gehörten.
Lautlos bewegte sich der kleine Teufel an der Hauswand entlang und blieb unter dem ersten Fenster stehen. Vorsichtig schob er sich in die Höhe, lugte über die flache Fensterbank hinweg durch die Scheibe in das Innere.
Es war die Küche, in die er schaute. Und er zuckte sehr rasch wieder zurück, als er Bill Conolly in der Küche stehen sah. Der Mann schaute auf eine kleine Kaffeemaschine, durch die die braune Brühe rann, dem Fenster wandte er den Rücken zu.
Amor grinste scharf. Ihn überkam es plötzlich. Jetzt einen Pfeil aufzulegen und in den Rücken des Mannes zu schießen, das würde ihm gut gefallen.
Sollte er, sollte er nicht?
Der Teufel hatte ihm da eigentlich freie Hand gelassen, Amor konnte von Fall zu Fall entscheiden, und diesmal ließ er es bleiben, weil sich ein anderer Plan in seinem breiten Kopf hervorschälte.
Als sich Bill Conolly herumdrehte, tauchte Amor blitzschnell weg und huschte weiter.
Nach ein paar Schritten erreichte er das nächste Ziel. Wieder ein Fenster.
Er drückte sich hoch und blieb auf den Zehenspitzen stehen, um durch die Scheibe in das Innere des Raumes zu schauen.
Es war ein Kinderzimmer!
Nicht mehr kindlich eingerichtet wie früher, mehr jugendlich, denn auch Johnny wurde älter.
Ein Bett, ein Schrank, Posters an den Wänden, allerlei Autos, ein großes Flugzeug, aber kein Computer und auch kein Fernsehgerät.
Dafür zahlreiche Bücher, die in einem Regal standen oder übereinandergestapelt vom Boden her einen kleinen Turm bildeten.
Das alles nahm der teuflische Amor mit einem Blick wahr. Es interessierte ihn nicht. Für ihn war die Gestalt wichtig, die neben dem Bett auf einer weichen Unterlage hingestreckt und auf der Seite liegend ihren Platz gefunden hatte.
Die Wölfin!
Sie schien zu schlafen, jedenfalls rührte sie sich nicht. Die Augen waren ebenfalls geschlossen, das Fell dunkel und dicht, bis auf eine Stelle, wo sich der helle Verband um die Wunde spannte, die das Messer hinterlassen hatte.
Nadine schlief ihrer Genesung entgegen. Das wußte auch der veränderte Amor. Gleichzeitig jedoch zuckte ein böses Lächeln um seine breiten Lippen, denn in seinem Schädel hatte sich bereits ein bestimmter Plan festgesetzt.
Mit dem linken kurzen Arm griff er über seine Schulter und holte einen
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