0550 - Der Heimkehrer
veränderten sich, in sie trat der Ausdruck einer Wachsamkeit und auch des Wissens.
»Du bist der Eiserne Engel!«
»Ja, Kara, der bin ich!«
Nach dieser fernen Antwort blieb sie trotzdem steif liegen. Vergeblich versuchte sie dabei, die zahlreichen wirren Gedanken aus ihrem Kopf zu vertreiben. Sie wurde sie einfach nicht los. Zu stark waren die Erinnerungen aus der Vergangenheit, als der Eiserne das Refugium mit Serena verlassen hatte.
Erst seine »Stimme« ließ sie wieder aufhorchen.
»Ich möchte, daß du mir zuhörst, Kara, denn ich versuche, wieder heimzukehren, und ich muß mich einer Person mitteilen. Ich habe bereits versucht, jemand aus dem Kreis zu finden. Mir blieb leider wenig Zeit. Mein Geist forschte und erreichte die Klippe zwischen dem Diesseits und dem Jenseits. Deshalb gab ich zuerst meine Botschaft an Sheila Conolly weiter.«
»Was ist mit ihr?«
»Sie schwebt zwischen Leben und Tod!«
Erst jetzt erschrak Kara. Die erste Bemerkung hatte sie nicht richtig mitbekommen. Der Eiserne Engel interessierte sie nicht mehr so stark, Sheila war wichtiger. »Wird sie denn überleben?«
»Das liegt nicht in meiner Hand. Ich konnte ihr auch nur eine kurze Botschaft übermitteln und hoffe, daß sie daraus schlau geworden ist und sie weitergeben wird. Jetzt aber bin ich an der richtigen Stelle, nämlich bei dir, Kara.«
»Aber du schwebst noch in einer anderen Dimension – oder?«
»So ist es leider. Ich bin nicht nur ein Gefangener der Zeiten, ich stecke auch in der Pyramide.«
»In der des Wissens?«
Kara bekam eine Antwort, die sich anhörte wie ein müdes Lachen.
»Ja, in der des Wissens, aber sie hat ihre Kraft verloren, denn der Bann einer gewissen Frau war stärker. Du wirst sie kennen…«
»Serena.«
»Ja, Kara, Serena. Was ich auch getan habe, war falsch. Ich bin ihr gefolgt und auf den Leim gegangen, weil sie mir versprach, die stummen Götter, meine Väter, zu erwecken. Sie hat dieses Versprechen nicht eingehalten. Alles, was ich tat, war falsch gewesen. Ich wurde zu ihrer Gefangenen. Durch die Salbe besitzt sie eine ungeheure Macht. Sie spielt damit, läßt Menschen sterben oder leben. Mich hat sie vegetieren lassen, und ich sah auch keine Chance zur Rückkehr. Jetzt hat sich einiges geändert. Ich kann es schaffen, ich bin bereits auf dem Weg.«
»Wo kann ich dich erwarten? Bei den Steinen?«
»Nein, nicht bei Ihnen. Du mußt den Zeichen folgen, die ich setzen werde.«
»Was sind das für Zeichen?«
»Es geht um die Pyramide. Noch strahlt sie eine gewisse Kraft ab, die auch du aufnehmen kannst. Sie reicht allerdings nur für eine Person. Du wirst deshalb Myxin nichts sagen. Locke die Kraft der Pyramide. Sieh zu, daß sie sich auf dich überträgt, dann werden wir uns sehen. Aber beeile dich, ich brauche dich bei mir.«
Kara nickte heftig. »Gut, ich habe alles verstanden. Ich werde Myxin auch nichts davon sagen.« Sie richtete sich auf. »Ich gehe zu den Steinen. Dort ist die Magie am konzentriertesten. Da werde ich…«
»Ja, mach das. Mach es schnell. Ich warte auf dich.«
»Du kannst dich auf mich verlassen.«
Kara schwang ihre Beine vom Lager. Myxin schlief an der anderen Seite des Raumes. Er hatte nichts von der ungewöhnlichen Unterhaltung zwischen den beiden mitbekommen.
Lautlos schlüpfte Kara in ihre Schuhe. Sie streifte das helle Nachthemd ab und griff zu einem blauen, bodenlangen Kleid. Es umgab sie wie ein Vorhang.
Nie trug Kara Hosen. Sie liebte die wallenden Kleider, die sie schon aus Atlantis kannte.
Und noch etwas durfte sie nicht vergessen. Das Erbe ihres Vaters Delios, das Schwert mit der goldenen Klinge. Es steckte in einer Scheide, die wiederum an einem Gürtelgehänge befestigt war. Kara schlug es mit sicheren Bewegungen um ihre Hüften. Sie gehörte zu den Menschen, die mit dem Schwert umgehen und es auch führen konnten. Für einen normalen Menschen war die Waffe nicht zu tragen. Man mußte schon zu den Auserwählten gehören, wie eben die Schöne aus dem Totenreich.
Auf leisen Sohlen, so daß Myxin nichts hörte, verließ sie das Blockhaus.
Draußen herrschte eine angenehme Temperatur. Das leise Murmeln des Bachs, der für Wasser sorgte, das Rauschen der Blätter, wenn der Wind durch die Kronen der Bäume fuhr, das alles gefiel ihr, daran hatte sie sich gewöhnt. Ebenso wie an die Steine, die majestätisch in den Himmel ragten wie eckige Finger.
Zwischen ihnen befand sich das magische Zentrum. Diagonal verlaufende Linien auf dem Rasen verbanden
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