0551 - Im Licht der schwarzen Sonne
damals einen eigenartigen Hinweis über meine Lebensspanne gemacht hast?«
Merlin verzog das Gesicht.
»Ich glaube, damals stellte ich fest, daß du länger leben wirst als andere Menschen. Daß du ein Auserwählter bist.«
»Das wußtest du ebenso wie ich schon durch die Kontakte mit den Chibb. Die Chibb waren es doch als erste, die mich als Auserwählten bezeichneten. Das Amulett nannten sie das Medaillon der Macht«
»Es hätte sein können, daß sie einen anderen Grund für ihre Bezeichnungen hatten«, erwiderte Merlin. »Aber in jener Stunde erkannte ich deine Anlagen zur Unsterblichkeit. Mittlerweile hast du sie erlängt, du konntest das Wasser der Quelle des Lebens trinken. Du wirst also noch sehr viel Zeit haben, die Funktionen des Amuletts zu begreifen.« Er sah Taran an. »Gib es ihm zurück.«
»Es eilt nicht«, sagte Zamorra. »Ich kann es jederzeit rufen, wenn ich es haben will.«
Taran lächelte verloren. Seine Hände umschlossen es nur noch fester. Zamorra hatte erneut das Gefühl, daß er die Berührung brauchte und sich dabei irgendwie mit Kraft auflud.
Abermals waren seine Umrisse etwas schärfer geworden. Oder war das nur eine Täuschung, eine Art Wunschvorstellung?
Fooly räusperte sich. Es klang wie Kanonendonner.
Ganz gegen seine Gewohnheiten hatte der Jungdrache sich bislang still verhalten und nur Zamorras Erzählung und dem folgenden Gespräch gelauscht. Jetzt meldete er sich unüberhörbar zu Wort.
»Diese Geschichte war ja ganz interessant«, lobte er, »aber deine Geheimniskrämerei gefällt mir nicht. Warum gibst du aufklare Fragen keine klaren Antworten? Du bist unhöflich, alter Mann. Und mir hast du meine Frage von vorhin, als wir noch draußen waren, auch nicht beantwortet. Ich hab’ dich gebeten, mir etwas über Shirona und Taran zu erzählen. Das hast du immer noch nicht getan.«
»Weil ich selbst kaum etwas weiß!« fuhr Merlin ihn an. »Glaubst du etwa, ich wäre jetzt hier, wenn alles nach einem Plan abgelaufen wäre? Ich weiß nur eines: Dieser hier«, er zeigte auf Taran, »und auch Shirona hätten niemals entstehen dürfen. Sie sind unnatürlich.«
»Aber wir sind nun mal da. Du wirst dich damit abfinden müssen, Merlin«, sagte Taran.
»Du weißt also nicht, weshalb sie entstanden sind?« hakte Fooly nach. »Das glaube ich dir nicht. Du verschweigst uns etwas. Vielleicht solltest du uns von dem sechsten Amulett erzählen.«
»Und was?«
»Wie es entstand«, verlangte Fooly. »Als du das siebte gemacht hast, war Zamorra dabei. Was geschah, als du das sechste geschaffen hast? Und all die arideren?«
Merlin schloß die Augen.
»Du bist zu neugierig«, sagte er leise.
»Nicht neugieriger als du selbst. Vielleicht finden wir gemeinsam die Lösung des Rätsels. Erzähl uns, wie das sechste Amulett entstand.«
»Es wird euch langweilen«, erwiderte der Zauberer. »Ich bin kein guter Erzähler.«
»Aber wir sind gute Zuhörer«, behauptete Fooly und brachte es fertig, mit seinem Echsenmaul geradezu unverschämt zu grinsen. »Nun mach schon. Vielleicht ist die Geschichte ja besser als dein Erzählstil.«
Der Zauberer seufzte. Er sah den Drachen an.
»Wesen deiner Art pflegte man damals zu furchten und von tapferen Rittern erschlagen zu lassen«, sagte er. »Doch in Wirklichkeit waren diese Ritter Narren. Sie glaubten, ihren Heldenmut beweisen zu müssen, indem sie sich oder unschuldige Geschöpfe wie dich erschlugen, und versuchten damit den Damen zu imponieren. Sogar Lancelot brachte eines schönen Tages eine abgeschlagene Drachenklaue mit nach Camelot.«
Er schüttelte vorwurfsvoll den Kopf, während er sich daran erinnerte… Fürchterlich nach Verwesung hatte diese Klaue bereits gestunken. Ein paar Krallen waren abgebrochen, und die Schuppen setzten Grünspan an. Dort, wo Lancelots Schwert Schuppen, Fleisch und Knochen mehr zertrümmert als durchschnitten hatte, hingen zähe schwarze Fäden getrockneten Drachenblutes herab. Weiße Schimmelflecken hatten sich daran gebildet, und übelriechende Fasern wie Spinnweben oder ausgekämmte Haare hingen daran.
Guenhwyvar hatte ihm eine Magd entgegengeschickt, die ihm einen Becher verdünnten Weines als Erfrischung reichen sollte. Doch der üble Gestank, der von der Drachenklaue ausging, ließ sie erschrocken zurückweichen.
»Was… was ist das, Herr?« keuchte sie.
»Eine Trophäe«, rief Lancelot heiter. »Hay, war das ein Kampf! Wie hat sich das Ungeheuer gewehrt und Flammen gespien! Doch nützte ihm das
Weitere Kostenlose Bücher