0551 - Im Licht der schwarzen Sonne
auf der Stelle erschlagen worden, sobald man sie entlarvt hatte. Aber Artos hatte eben seine eigene Denkweise, die ihn bisweilen in die unmöglichsten und haarsträubendsten Situationen brachte. Er war noch immer sehr jung, manchmal sogar recht kindisch, obgleich er ein Reich geschaffen hatte, wie es auf der großen Insel seit den Zeiten der untergegangenen Reiche Atlantis und Thule nicht mehr existiert hatte.
Lancelot wollte anfangs nicht glauben, daß der junge Bursche, den er in den Staub geworfen hatte, kein junger Räuberhauptmann war, sondern tatsächlich der Bär von Camelot, der König. Er hatte ihn immer für wesentlich älter gehalten.
Es ging kaum an, daß ein so junger Bursche soviel Macht um sich scharte - und sie auch behielt!
Doch irgendwie fand er Gefallen an Artos. Der erschlug ihn nicht, sie wurden Freunde.
Zumindest glaubte Artos das.
Zweimal versuchte Merlin, ihn zu warnen. Beide Male schlug Artos die Warnungen in den Wind und schalt den Zauberer einen Unheilspropheten, der eine persönliche Abneigung gegen Lancelot habe. »Du möchtest gern der Mächtigste nach mir sein, Myrddhin Emrys«, hatte er gesagt. »Du haßt Lancelot, weil die Menschen ihn mehr lieben als dich mit deiner Zauberei. Menschen fürchten Zauberer.«
»Aber du fürchtest mich nicht.«
»Warum sollte ich? Immerhin hast du mir Lesen und Schreiben beigebracht und noch ein paar Kleinigkeiten mehr.« Artos hatte die schöne Guenhwyvar geheiratet. Anfangs hatten sie sich ein gemeinsames Leben wohl etwas anders vorgestellt, als es nunmehr war. Viel romantischer. Aber die Staatsgeschäfte ließen Artos schon bald nicht mehr viel Zeit, wie Guenhwyvar es sich gern gewünscht hätte. Sie war oft allein und langweilte sich. Nur am Spinnrad sitzen oder Stoffe mit bunten Mustern besticken war nicht ihre Welt, und andere, für sie interessantere Dinge blieben ihr verwehrt. Sie war erstens eine Frau und zweitens die Frau des Königs. Die mußte gut behütet werden, damit ihr ja nichts zustieß, und ihre einzige Pflicht war es, dem König Söhne zu gebähren.
Nur kamen die nicht.
Nicht mal eine Tochter.
Mittlerweile begann sich selbst Merlin darüber Gedanken zu machen. Sicher, es war nicht wichtig, daß schon jetzt ein Thronfolger geboren wurde. Zumal längst nicht sicher war, ob das Reich wirklich auf Dauer Bestand haben würde. Die Macht des Königs beruhte auf Legenden. Geschickte Propaganda. Man raunte sich zu, daß Artos' Heer unbesiegbar sei und daß der Bär von Camelot ein Zauberschwert besitze. Und wer wollte sich schon mit einem unbezwingbaren Heer anlegen? Da versuchte man eher, den Streit anderweitig beizulegen. Und ein Zauberschwert? Nun, dagegen trat man auch nicht gerne an.
Artos selbst war über das Zauberschwert bei weitem nicht so glücklich, wie er es nach außen hin darstellte. Doch selbst Merlin gegenüber sagte er nichts. Allerdings las Merlin es in seinen Gedanken - und schwieg.
Er schwieg auch dazu, daß Lancelot permanent bemüht war, seinem Freund und König Hörner aufzusetzen. Artos hätte Merlins Warnungen doch nicht ernst genommen, hätte sich vielleicht sogar gegen Merlin gestellt. Und das wollte der alte Zauberer vermeiden. Er brauchte Artos als Helfer, nicht als Feind. Und vielleicht schaffte Lancelot es ja tatsächlich, Guenhwyvar zu schwängern. Irgendwie würde Merlin es dann schon schaffen, die Sache so hinzubekommen, daß Artos glaubte, es handele sich um sein Fleisch und Blut.
Das würde auf jeden Fall viel leichter sein als einst das Zauberspiel um Uther Pendragon…
Und nun hatte Lancelot diese Drachentatze mitgebracht, die am Sattel seines Pferdes hing. Er winkte einem Knecht, sich um das Reit- und das Saumpferd zu kümmern, das er stets als Lastenträger und Ersatzpferd mit sich führte, und sprang gewandt vom Sattel. Die Rüstung war dünn und leicht, machte ihn beweglicher als manche anderen Ritter. Auch das brachte ihm im Kampf Vorteile. Sein Pferd brauchte nicht so schwer zu tragen, und er selbst konnte besser ausweichen und parieren, weil er nicht von schwerem Eisen behindert wurde. Das glich die Schwäche des dünnen Bleches teilweise aus.
Artos selbst trug nur manchmal einen leichten Harnisch. Meistens begnügte er sich mit dem Kettenhemd.
Als er jetzt die breite Freitreppe herunterstürmte, begnügte er sich mit Stiefeln, einem Lederrock und dem dunkelgrünen Samtwams, auf das der rote Drache gestickt war, sein Wappentier. »Lancelot! Du bist heil zurück! Du wirst uns viel zu
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