0551 - Mörderische Drillinge
haben Sie recht. Wen würden Sie denn jagen, Evita?«
»Keine Ahnung. Mir tun die Tiere nur leid, obwohl ich einsehe, daß Rotwild geschossen werden muß, um den Wald vor weiteren Schäden zu bewahren. Hasen ebenfalls, aber Enten?« Sie hob die Schultern. »Werden Sie auch jagen, John?«
»Nein, keine Tiere.«
Evita hatte verstanden. »Was dann?«
»Keine Ahnung. Ich bin nur mitgekommen, weil ich gebeten worden war.«
»Von Sir James, nicht?«
»So ist es.«
Sie kam näher. Ihr Gang war wiegend. Bei jedem Schritt schob sie den Unterkörper etwas vor. Ob es Berechnung war, konnte ich nicht sagen. Dicht vor mir blieb sie stehen. »Darf ich Ihnen noch eine letzte Frage stellen, Mr. Sinclair?«
»Bitte.«
»Ich hörte, daß Sir James zu den mächtigen Männern bei Scotland Yard gehört. Stimmt das?«
»Das ist richtig. Aber seien Sie froh, einen Polizisten im Haus zu haben. Oder mögen Sie Polizisten nicht?«
Sie verzog die vollen Lippen, deren Konturen mit einem matten Stift nachgezogen worden waren. »Sagen wir so, Mr. Sinclair, ich stehe ihnen neutral gegenüber.«
»Das ist gut.«
»Viel Spaß noch.« Hastig drehte sie sich um. »Und geben Sie acht, daß die Kugeln nicht in Ihre Richtung fliegen.«
»Kann das auch passieren?«
»Natürlich. Haben Sie noch nie etwas von Jagdunfällen gehört? Sie wollen in den Sumpf, der ist tückisch.«
»Man kann ihn also nicht durchwaten?«
»Nein, Sie müssen sich schon auf die Boote verlassen, die für Sie bereitliegen.«
Sir James kam und fragte, ob ich wirklich mitwollte.
»Ich komme, Sir.«
Die anderen warteten vor dem Haus. Sie wirkten auf mich wie verkleidet. Nur die Stiefel akzeptierte ich, die brauchte man in dem Gelände. Ich hatte mir hohe Schuhe mit dicken Gummisohlen übergestreift und hoffte, damit klarzukommen.
Jeder der Hobbyjäger war mit zwei Gewehren bewaffnet. Über der einen Schulter trugen sie normale Repetiergewehre, über der anderen die Schrotflinten für die Entenjagd.
»Horrido!« rief der dicke Sir Winston. »Auf geht’s, Kameraden, die Enten warten schon!«
Das glaubte ich ihm zwar nicht, ich sprach auch nicht dagegen.
Mit gemischten Gefühlen schloß ich mich der Gruppe an…
***
Es waren genügend Boote vorhanden. Jeder konnte sich eines nehmen. Sie lagen dort, wo ein Steg in das Sumpfgewässer hineinführte und neben ihm ein primitives Bootshaus stand, das zum See hin geöffnet war.
Nicht jeder wollte allein unterwegs sein. Sir Winston und Sir James teilten sich ein Boot. Sir Peter wollte allein rudern, Sir Arthur mit Theo. Ich blieb lieber allein.
»Dann wäre ja alles klar«, sagte Theo, bevor er sich an mich wandte. »Sie kennen sich in der Rudertechnik aus?«
»Gewiß.«
»Gut. Und erschrecken Sie sich nicht, wenn es knallt.« Er lachte über seinen eigenen Witz.
Ich ließ den anderen den Vortritt und wartete, bis die drei Boote auf den See gerudert wurden.
Ein flaches Gewässer, allerdings auch verzweigt. Breite und schmale Schilfgürtel wuchsen in den See hinein. Sie mußten umfahren werden und waren auch so hoch, daß sie die Männer in den Booten von den Blicken anderer schützten.
Ein Sumpfsee mit zahlreichen Ecken, Inseln, Buchten und kleinen Verstecken, auch für Tiere.
Auf der Herfahrt war der meiste Nebel von den Strahlen der Sonne weggedampft worden. Eine Ausnahme bildete das Gewässer.
Über dem grün-braun schimmernden Wasser hingen auch jetzt noch leichte Dunstschwaden, die mich an dünne Tücher erinnerten. Sie waren nie sehr dicht, stets durchsichtig, aber sie trübten ein wenig den Blick.
Ich hatte meinen Kahn noch nicht losgetäut. Die anderen, schon weit draußen, waren in die leichten Dunstschwaden eingetaucht und wirkten wie kompakte Gespenster.
Jemand schoß, als ich die Leinen löste. Das Echo hörte sich dumpf an, aber der Schuß erreichte seine Wirkung.
An einer Stelle flatterten Vögel hoch, unter ihnen befanden sich auch Flugenten, die nicht so hochsteigen konnten wie die anderen Vögel. Ziemlich flach flogen sie über das Wasser – und in das Krachen der Schrotladungen hinein.
Drei Tiere flogen nur mehr taumelnd weiter. Verzweifelt versuchten sie noch, sich in der Luft zu halten, gerieten stärker ins Trudeln und schlugen irgendwo in das Schilf.
Da hatten die Jäger wirklich einen tollen Sieg errungen, auf den sie stolz sein konnten.
Sie selbst brauchten sich um die erlegten Tiere nicht zu kümmern.
Das besorgten Theos Mitarbeiter.
Ich ruderte ruhig und gleichmäßig. Die
Weitere Kostenlose Bücher