0551 - Mörderische Drillinge
ich hier nicht erwartet. Die junge Frau sah aus wie eine Südländerin. Ihr lackschwarzes Haar besaß einen seidigen Glanz. Es fiel glatt bis auf die Schultern. Ein helles Gesicht malte sich darunter ab. Dazu gehörten zwei große Augen, die mich etwas erstaunt musterten, und mir kam es vor, als hätte mich die Person hier nicht erwartet. Sie trug glatte Jeans und einen dünnen Pullover. »Guten Tag«, sagte sie mit einer dunklen, angenehm klingenden Stimme und entschuldigte sich sofort. »Sorry, Theo, ich wußte nicht, daß Sie nicht allein hier im Raum sind.«
»Das macht nichts, Evita. Dann kann ich Ihnen gleich Mr. John Sinclair vorstellen.«
»Ein neuer Gast?«
»Genau, die Gentlemen haben ihn mitgebracht. Mr. Sinclair ist auf dem Gebiet der Jagd ein Neuling. Er möchte seine ersten Erfahrungen bei uns sammeln.«
Ich jagte zwar auch, aber ein anderes Wild. Meist zweibeinig und von der Hölle angehaucht. Das allerdings brauchten sie nicht zu wissen.
Theo sprach weiter. Ich erfuhr den Namen der Person. Sie hieß Evita Tijon.
»Hört sich spanisch an.«
»Ist es auch. Meine Vorfahren waren Spanier.«
»Evita hat bei mir die Aufgabe als Hausdame übernommen«, sagte Theo und nickte ihr lächelnd zu.
»Ah ja, Hausdame.« Ich konnte mir ein Grinsen kaum verkneifen, aber man soll ja nichts Böses denken.
Evita hob die Schultern. »Ich werde dann gehen und mich um den Imbiß kümmern.«
»Das ist nett.«
Sie lächelte noch einmal und schwebte davon.
»Ein sehr hübsches Mädchen«, sagte ich. »Da haben Sie Glück gehabt, Mr. Aldridge.«
»Ach – sagen Sie Theo, wie jeder hier. Aber Sie haben recht. Evita ist wirklich außergewöhnlich. Nicht nur, was ihre Schönheit anbelangt. Sie ist einfach Klasse, kann alles und hält das Haus hier in Schuß! Ich lernte sie in London kennen, es war ein Zufall.«
»Daraus ergibt sich manchmal das Beste.«
»Sie sagen es, John.« Er schaute auf die Uhr. »Für mich wird es Zeit. Ich muß mich noch um einige Dinge kümmern. Gestern hat uns jemand bei Nacht und Nebel verlassen.«
»Wer denn?«
»Ein Angestellter. Er hieß Falsett. Heute morgen war er nicht mehr aufzutreiben. Hatte wohl keine Lust. Aber so ist das nun mal mit dem Personal. Der sitzt bestimmt wieder in seinem Dorf und läßt sich die Hucke vollaufen. Bis gleich dann.«
»Natürlich.«
Theo ging, und ich dachte über ihn nach. Besonders sympathisch war er mir nicht. Ich wollte nicht voreingenommen sein und ihm eine Chance geben.
Zunächst packte ich meinen Koffer aus. Viel hatte ich nicht mitgenommen. Besonderen Wert legte ich auf die wetterfeste Kleidung, die auch im Gelände stimmte. Die braune Lederjacke würde auch Regen abhalten. Auf einen Parka konnte ich deshalb verzichten.
Das wenige aus dem Koffer räumte ich in einen großen Schrank, wo sich die Sachen verloren.
Dann schaute ich mir die anderen Räume an. Bad und Toilette waren voneinander getrennt.
Ein großes Bad mit allem Komfort. Es war an alles gedacht: an Duschgel, Badeschlappen, Badetücher… Die Fliesen schimmerten in einem seegrünen Farbton. Sie paßten in diese etwas ländliche Umgebung.
Im Schlafzimmer stand ein großes Doppelbett. Zur Hälfte war die Decke zurückgeschlagen. Telefon gab es im Schlafraum ebenso wie im Wohnzimmer.
Die Fenster sagten mir ebenfalls zu. Ausblick hatte ich auf eine Wiese und den Wald dahinter. Birken, Fichten, auch Buchen und Eichen sah ich. Alles wuchs durcheinander. Die Blätter waren müde geworden, hatten sich schon verfärbt.
Durch Stürme und starke Winde waren Zweige abgerissen worden, die auf der Erde verstreut herumlagen.
Zwei von ihnen – sie glichen bereits Stämmen – lagen dicht nebeneinander, als wären sie von einem pedantischen Menschen so hingelegt worden.
Die fielen direkt auf.
Da mich die Scheibe etwas irritierte, öffnete ich das Fenster und beugte mich nach draußen.
Jetzt konnte ich die dicken Zweige besser erkennen und wurde plötzlich blaß.
Nein, Zweige oder dünnere Stämme waren das nicht. Das waren Beine!
Ich wußte Bescheid. Am Waldrand lag jemand, der entweder tot oder bewußtlos war…
***
Wenn es nicht so ungewöhnlich gewesen wäre, hätte ich noch gegrinst. Statt dessen bekam ich eine leichte Gänsehaut und dachte daran, daß ich mit einem derartigen Empfang nie im Leben gerechnet hätte. Ein Toter oder Bewußtloser in dieser Idylle.
Das war nicht normal.
Ein anderer hätte vielleicht den Hausherrn alarmiert, ich aber wollte der Sache auf den Grund
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