0555 - Verrat der Götter
kannst sterben. Richtig, als Toter bist du mir nicht von Nutzen. Aber als Sterbender!« Er musterte die armselige Kreatur erbarmungslos. »Dein Tod wird mir helfen, den Göttern einen Denkzettel zu verpassen. Die Kraft der Magie, die in dir lodert und dann freigesetzt werden wird…«
Fast liebevoll strich er mit der Hand durch das strähnige Haar des Gnoms, kraulte dessen Nacken - und versetzte ihm dann eine brutale Ohrfeige.
Dann fuhr er herum und gab dem Wächter einen Wink.
»Geh für eine Weile vor die Tür«, forderte er.
Der Mann nickte und tat, wie ihm geheißen.
Jetzt kauerte sich Cantho vor den Gnom. So, daß die anderen Gefangenen, die an den Wänden gekettet waren wie der Namenlose, nicht sehen konnten, was zwischen den beiden geschah.
Cantho zog einen fingernagelgroßen, blau funkelnden Stein aus einem kleinen Geheimfach seines Gürtels.
»Weißt du, was das hier ist?« raunte er.
Der Gnom starrte den blau funkelnden, winzigen Sternenstein an.
»Ein Dhy…«
»Nicht so laut!« zischte Cantho. »Oder willst du, daß auch alle anderen Gefangenen sterben müssen, nur weil sie gehört haben, was du hier plapperst?«
Der Gnom schüttelte vorsichtig den Kopf. Aber nur, um seinem Bezwinger zu Willen zu sein, und nicht, weil ihn das Schicksal der anderen Gefangenen interessierte. Er kannte sie nicht; sie waren ihm so fremd wie diese Welt, in die ihn sein mißglückter Zauber verschlagen hatte. Dabei hatte er doch nur versucht, die Risse im Raum-Zeitgefüge zu schließen, die entstanden waren, als er mit Don Cristofero wieder in seine Zeit zurückgekehrt war und dabei unglückseligerweise auch Monsieur Zamorra und seine Mätresse mitgerissen hatte.
Aber er erkannte den Stein in der Hand seines Peinigers. Es war einer jener legendären Dhyarra-Kristalle, wie auch Monsieur Zamorra einen besaß. Ein Zauberstein mit schier unfaßbarer Macht.
»Du weißt also, was das ist?« flüsterte Cantho. »Dann wirst du auch wissen, daß ich deiner Versprechungen nicht bedarf. Gold zaubern? Wenn ich das wollte, täte ich es selbst. Ich kann alles mit diesem Sternenstein bewirken, was ich will. Dich brauche ich nur für eine einzige Sache. Und in der nützt mir nur dein Tod!« Wieder schwieg er für Sekunden. »Wer auch immer dich mir gesandt hat, die Götter waren’s sicher nicht. Aber du kamst zur rechten Zeit.«
Er ließ den Sternenstein wieder verschwinden.
»Auch nur ein Wort hierüber, und ich schneide dir unverzüglich die Zunge ab«, warnte er. »Und dein Sterben würde recht schmerzvoll.«
Der Gnom erschauerte. Er warf einen scheuen Blick auf die Eisenschellen, die nur ein paar Meter weiter von der Wand baumelten. Sie waren leer, und an der Wand war ein großer, dunkler Fleck. Dort hatte noch vor ein paar Stunden ein Gefangener gehangen, der eine etwas zu vorlaute Bemerkung gegenüber Cantho gemacht hatte. Er würde nie wieder eine solche Bemerkung machen. Weder gegenüber Cantho noch gegenüber sonst jemandem…
Dem Namenlosen wurde klar, daß sein Weg hier endete. Sein letzter Zauber hatte ihn direkt in die Hölle geführt. Es gab keine Überlebenschance, keine Möglichkeit, den Kopf noch einmal aus der Schlinge herauszureden. Cantho wollte ihn unbedingt töten, und er würde es auf jeden Fall tun. Es war besser, ihn nicht zu verärgern, um es dadurch vielleicht halbwegs schnell und schmerzlos hinter sich zu bringen.
»Ich… ich werde schweigen, Herr«, flüsterte er. »Ich hasse Schmerzen. Doch bitte… wenn Ihr mich schon nicht am Leben lassen wollt, sagt mir wenigstens den Grund! Ich habe Euch doch wirklich nichts getan!«
»Ich sagte es doch schon. Ich benötige die Energie in dir, die durch deinen Tod freigesetzt wird.«
Laut rief er nach dem Wächter.
»Sorge dafür, daß dieser hier unverzüglich zum Tempel gebracht wird. Ich begleite ihn. Mein Siegel wird dafür sorgen, daß kein Priester und kein Adept unnötige Fragen stellt. Rasch, meine Zeit ist begrenzt!«
Er wandte sich ab.
»Und - tragt Sorge dafür, daß er sich möglichst nicht bewegen kann. Er besitzt zwar keinen Sternenstein, aber er ist ein Zauberer und braucht die Macht der Dhyarra-Kristalle nicht. Er benötigt nur seine Stimme und seine Hände. Also sei auf der Hut!«
Cantho war sicher, daß er übertrieb; er schätzte den Schwarzhäutigen nicht für so gefährlich ein. Aber er wollte auch keine Überraschung erleben.
Nicht mehr jetzt…
***
Cali warf immer wieder scheue Blicke auf das Messer, das Nicole an sich
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