0557 - Die Schlangengruft
absolut steril. Vermutlich existierten nicht einmal Keime.
Wie war das möglich? Wie konnte eine Gegend so bar jeglichen Lebens sein?
Denn nur wenige Kilometer von hier gab es Leben!
Ging vielleicht das, was hier für totale Leblosigkeit sorgte, von der unterirdischen Anlage aus? War es vielleicht eine Art magischer Aura, die alle niederen Lebensformen fernhielt, so wie Ultraschallwellen Insekten verscheuchen konnten?
Aber Merlins Stern zeigte keine magische Aura an!
Natürlich gab das keine hundertprozentige Sicherheit. Es konnte sein, daß Merlins Stern sich immer noch nicht völlig davon erholt hatte, daß sich das künstlich entstandene Bewußtsein aus ihm gelöst und als das körperlich existente Wesen Taran entschwunden war. Immerhin hatte es sich danach beim Kampf gegen die Projektionen Bo Vinerichs recht passiv gezeigt. [3]
Aber es war nicht mit in der Straße der Götter gewesen, es hatte also Zeit zur Regeneration gehabt, ohne zwischenzeitlich beansprucht worden zu sein. Deshalb hoffte Zamorra, daß er sich wenigstens auf die Grundfunktionen des zauberkräftigen Amuletts verlassen konnte, dann aber hätte Merlins Stern eine schwarzmagische Aura erfassen müssen.
Auch Zamorra selbst spürte nichts. Keine Kraft oder fremde Beeinflussung, die ihn von hier fortgedrängt hätte. Niemand klagte über Beschwerden oder Zwänge dieser Art, alles schien völlig normal…
Und doch war es das nicht!
Und Tendyke schwieg sich aus.
Zamorra begriff das Verhalten seines Freundes nicht. So war er noch nie gewesen.
Plötzlich glaubte Zamorra Stimmen zu hören, die der Wind an ihn herantrug…
Geflüsterte Worte…
Er lauschte.
Die Worte wehten aus Richtung der Autos heran, aber die beiden Männer, die heimlich miteinander redeten, befanden sich noch weiter draußen, ein Stück abseits des Camps in der Wüste. Sie benutzten eine Sprache, die Zamorra im geflüsterten Zustand nicht sofort einordnen konnte.
Doch es war weder Arabisch, noch Englisch, Französisch oder Spanisch.
Was dann?
Lautlos bewegte sich Zamorra näher heran und achtete darauf, nicht bemerkt zu werden. Unter seinen Füßen knirschte der Sand kaum, weil er sich mit größter Vorsicht bewegte. Er blieb ein Schatten in der sternenklaren Nacht.
Wieder lauschte er.
Er erkannte trotz des Flüsterns Tendykes Stimme, und er erkannte die Silhouetten der beiden Männer.
Der andere war Achmed ibn Sayid…
Und die Sprache, in der sie sich unterhielten…
Plötzlich konnte er sie verstehen!
Er erinnerte sich wieder. Er hatte sie bei seinen Zeitreisen in die Vergangenheit oft genug gehört. Eine Sprache, von der die Menschen der Gegenwart eigentlich gar nicht mehr wußten, wie sie klang und ausgesprochen wurde!
Im alten Ägypten der Pharaonen war diese Sprache benutzt worden!
Und jetzt, in der Gegenwart, unterhielten sich zwei Menschen fließend in dieser Jahrtausende alten Sprache!
Im gleichen Moment, als Zamorra richtig hinhörte, verstummte das Gespräch.
Sekundenlang war Stille, dann unterhielten sich Tendyke und Achmed weiter, jetzt aber in Englisch und über das, was Achmed und der ihn begleitende Student in der Oase Nâhid erlebt hatten.
Belanglosigkeiten.
Trotz Zamorras Vorsicht mußte einer der beiden bemerkt haben, daß es einen Lauscher gab, und prompt hatten sie umgeschaltet. Dabei hätten sie eigentlich sicher sein müssen, daß keiner von der Expedition Altägyptisch sprach.
Es sei denn, Tendyke ahnte, daß ihn Zamorra belauschte.
Zorn wuchs in dem Parapsychologen. Mit welchem Recht glaubte Tendyke, seinen Freund an der Nase herumführen zu dürfen?
Und woher kannte er die alte Sprache?
Woher kannte Achmed sie?
Sekundenlang überlegte Zamorra, ob er sich zurückziehen sollte, dann aber siegte sein Ärger. Er verließ seine Deckung zwischen den Geländewagen und ging auf die beiden Männer zu.
»Chufu hätte euch jetzt den Kindern Sobeks zum Fraße vorwerfen lassen«, sagte er in der Sprache des alten Adels.
***
Ssacah nahm begierig die Informationen auf, die ihm von seinen Kundschaftern übermittelt wurden.
Die Messing-Kobras, die Teil seiner selbst waren und gemeinsam die Kraft bildeten, aus der der Dämon bestand, beobachteten, und Ssacah selbst wertete die Beobachtungen aus.
Da war nicht nur sein Feind Zamorra, den der Zufall an diesen Ort geführt hatte, da war auch noch ein anderer alter Feind…
Tendyke!
Der fehlgeleitete Sohn des Asmodis!
War es wirklich Zufall, daß beide sich jetzt an diesem Ort befanden?
Weitere Kostenlose Bücher