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0559 - Kapitän Sensenmann

0559 - Kapitän Sensenmann

Titel: 0559 - Kapitän Sensenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Wind. Irgendwo war ein Feuer. Harriet schaute nach links, von dort kam der scharfe Geruch. Sie sah den alten Schäfer, der etwas verbrannte. Auf dem Hinweg hatte sie mit ihm gesprochen, jetzt winkte er ihr zu.
    Sie winkte nicht einmal zurück, weil sie einfach zu müde war. In der Nähe des Hauses schleiften die Sohlen sogar über den Boden, weil sie kaum Kraft genug besaß, die Füße anzuheben.
    Sie ging an dem Fiat vorbei und holte den Haustürschlüssel aus der Manteltasche. Den brauchte sie nicht, denn die Tür war geöffnet und nicht einmal wieder zurück ins Schloß gefallen.
    Wer war dagewesen?
    Harriet Bowman begann zu zittern. Sie untersuchte das Schloß von außen und fand keine Beschädigungen. Harriet dachte über den Grund nach. Sie wußte ihn. Für sie kam nur Gayle in Frage. Sie besaß noch einen Schlüssel zum Haus.
    War sie da?
    Es wollte trotz allem bei Harriet keine Freude aufkommen. Mit sehr vorsichtig gesetzten Schritten betrat sie den Raum und rechnete eigentlich damit, ihre Tochter am Tisch sitzen zu sehen. Das traf nicht zu. Der Raum war leer.
    Etwas fiel ihr trotzdem auf. Ein weißer Zettel lag auf dem Tisch. Er war mit einer kleinen Vase beschwert worden, damit er nicht wegflatterte. Strom hatte Mr. Bowman noch kurz von seinem Tod gelegt.
    Seine Witwe schaltete das Licht ein.
    Der Lampenstrahl fiel als breiter Kegel in die Tiefe und traf den viereckigen Tisch.
    Auch ohne Brille und ohne den Zettel in die Hand zu nehmen, konnte Harriet Bowman den Text lesen. In ziemlich krakeliger Schrift war ein Satz hinterlassen worden.
    ICH KOMME WIEDER, MUMMY!
    ***
    Harriet Bowman las den Text noch einige Male vor, dann gaben ihre Knie nach. Sie mußte sich einfach setzen. Müde strich sie über ihre Stirn. Ja, das hatte ihre Tochter geschrieben. Als Kind hatte sie stets Mummy gesagt, und die Schrift wirkte auch fast so wie die aus ihrer Kinderzeit. Die Witwe konnte nicht anders, sie mußte einfach weinen. Beide Hände preßte sie gegen das Gesicht. Ihre Schultern zuckten ebenso wie die dünne Haut an den Wangen. Die Leere des Hauses empfand sie noch schlimmer als sonst. Wann sie aufhörte zu weinen, konnte sie selbst nicht sagen, jedenfalls war es draußen schon dunkel geworden.
    Mit sehr müde wirkenden Bewegungen stand Harriet Bowman auf und ging in den Anbau, wo sich auch das Bad befand. Sie ließ das kalte Wasser laufen und schleuderte es gegen ihr Gesicht.
    Bedächtig trocknete sie sich ab. Abermals dachte sie an Gayles Botschaft, Sie wollte also zurückkommen. Am Abend, vielleicht in der Nacht. Oder erst am nächsten Tag, das wußte niemand. Aber wie kam sie zurück? Als Geist, als lebende Tote, als Gespenst?
    Alles lag im Bereich des Möglichen. Jedenfalls war Harriet Bowman auf alles gefaßt.
    Nachdem ihr Gesicht trocken geworden war, ging sie wieder in den Wohnraum. Sie wollte sich einen Beruhigungstee kochen, dazu kam sie nicht mehr, weil vor dem Haus eine Hupe ertönte. Harriet kannte das Signal. Die Hupe gehörte zum Wagen des Lebensmittelhändlers. Harriet erschrak heftig. An Emily Cartwright hatte sie nicht mehr gedacht. Hastig knüllte sie den Zettel zusammen und steckte ihn ein.
    Der Kombi hatte schon vor der Haustür gehalten. Emily war ausgestiegen und öffnete die Heckklappe. Sie und ihr Mann hatten die Lebensmittel auf vier Kartons verteilt.
    »Ich helfe dir tragen«, sagte Harriet.
    »Gut.«
    Zweimal mußte jede von ihnen gehen, dann standen die Lebensmittel im Haus.
    »Wieviel Geld bekommst du?«
    Mrs. Cartwright nannte die Summe. Sie war ziemlich hoch ausgefallen. Bis auf zehn Pfund verlor Harriet fast ihre gesamte Barschaft.
    Emily zählte nicht nach. Sie ließ das Geld in der rechten Tasche ihrer dreiviertellangen Jacke verschwinden.
    »Ich danke dir, daß du mir die Sachen gebracht hast, Emily.«
    »Keine Ursache. Das machen wir doch gern bei so guten Kundinnen, wie du eine bist.«
    »Danke.« Harriet hob die Schultern. Sie wußte auch nicht, weshalb sie es nicht schaffte, Emily in die Augen zu sehen. Irgendwie kam sie sich verlegen vor.
    »Hör mal, Harriet, weshalb hast du mich vorhin im Laden eigentlich angelogen?«
    »Ich angelogen?«
    »Ja.«
    »Nein, das ist…«
    »Doch, Harriet. Du hast mir erzählt, daß deine Tochter nicht mehr bei dir ist.«
    »Das stimmt auch.«
    Emilys Augenpartie bekam einen lauernden Ausdruck. »Und der Wagen vor deinem Haus? Gehört er nicht Gayle?«
    Harriet wurde noch roter.
    »Ha, ha, erwischt. Du wolltest es mir nicht sagen.«
    Mrs. Bowman

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