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056 - Der Werwolf

056 - Der Werwolf

Titel: 056 - Der Werwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hivar Kelasker
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ermordet wie Doktor Lassner und seine Tochter.
    Er machte sich Sorgen um Barbara, die ihn angefleht hatte, heute wieder zu ihr zu kommen, weil sie sich fürchtete, mit dem winzigen Pudel allein in der Wohnung zu bleiben. Sie schien inzwischen selbst zu glauben, ihr Mann sei ein Werwolf und verfolge sie und ihren Liebhaber.
    Gerd hatte zugesagt. Dann hatte er die Schachtel mit der Munition und die beiden Silbermünzen genommen und war in die Werkstatt gegangen, die der Anstalt angegliedert und der Beschäftigungstherapie bestimmter Patienten vorbehalten war. Er hatte den Leiter der Arbeitsgruppe um einen Gefallen gebeten.
    Und jetzt hörte er das kurze Interview mit dem jungen Forstbeamten, dessen Bericht von insgesamt sieben anderen Personen bestätigt wurde. Der Wolf war unzweifelhaft getroffen worden, war jedoch unauffindbar.
    Dr. Becker schaltete den Apparat ab und verließ seine Dienstwohnung. Er ging über den Hof. Diesmal war nichts zu befürchten, denn der Wolf war mehr als siebzig Kilometer entfernt gesichtet worden.
    „Jedenfalls mache ich heute auf der Fahrt nicht einmal das Ausstellfenster auf!“ schwor sich Gerd.
    Man konnte ja nicht wissen, welche Teufelei dieser wahnsinnige Wolf als nächste plante.
    Gerd versuchte, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren. Zwei der potentiellen Opfer waren gewarnt, er und Barbara, aber man müßte eine Liste aller Menschen aufstellen, gegen die Christian Franke Drohungen ausgestoßen hatte.
    Ruckartig blieb Doktor Becker stehen. Er besaß diese Liste ja! Er hatte sie zwar nicht niedergeschrieben, aber im Kopf! Heute abend würde er mit Barbara darüber sprechen – sie kannte die Adressen und die Telefonnummern der Betroffenen.
    Vielleicht war es auf diese Weise möglich, das Leben einiger Menschen zu retten.
    Die Überlegung, es hier mit einem Wolf zu tun zu haben, der eiskalt plante, schematisch wie ein kranker Mensch, saß bereits tiefverwurzelt in Gerd Becker.
     

     
    In seiner Gehilfenzeit wurde Hartmut Franke der „Stier von Larching“ genannt. Er schleppte Rinderviertel, als wären es Sofakissen. Er war ein großer, breitschulteriger Mann, schwarzhaarig und ein bißchen zu dick. Der Beruf eines Fleischers war halt nichts für jemanden, der gern gut aß. Außerdem liebte Hartmut das Bier der Klosterbrauerei. Er war ein stets gutgelaunter, reicher Metzger, dessen Vergnügen noch immer darin bestand, selbst mitzuarbeiten. Inzwischen war aus diesem Vergnügen eine zwingende Notwendigkeit geworden. Merkwürdigerweise gab es keine Gastarbeiter, die Metzger oder Fleischhauer gelernt hatten.
    Hartmut hob das Beil mit der rechteckigen Schneide und ließ es auf die Mitte des Brettes hinunter krachen. Die Spitze bohrte sich drei Finger breit in das weiße, weiche Holz.
    „Und jetzt ein Bier!“ sagte er.
    Es war spät abends. Hartmut Franke machte seinen täglichen Rundgang durch Schlachthaus und Werkstatt. Er vertraute grundsätzlich nur sich selbst, wenn es um die Sauberkeit ging. Und schon gar nicht den Herren Lehrlingen. Den Schaden hatte nämlich nur er selbst zu tragen, wenn der Bezirksinspektor zur Überprüfung kam.
    Franke öffnete das Fenster und legte den Riegel vor, der das Fenster halb offenhielt. Dann sah er überall nach, ob auch nichts übersehen worden war. Hinter den Kesseln, den Füllmaschinen, im Spülbecken und im Gewürzschrank.
    Nacheinander schaltete er die Leuchtstoffröhren aus, dann blieb er, die Verbindungstür zum Schlachthaus in der Hand, stehen. Das Bier würde ihm jetzt schmecken, denn es war ein Tag voller Arbeit gewesen.
    Neben seinem Ellbogen ragte einer der Eisenspieße aus einem Bündel heraus, auf denen man die Würste in den Rauch hängte. Er streckte die Hand aus, um den Spieß zurückzuschieben, aber das verdammte Ding sperrte sich. Hartmut fluchte leise. Er zog die eineinhalb Meter lange Vierkantstange ganz heraus und wollte sie oben ins Fach legen, als ihn ein Geräusch einhalten ließ.
    Vor dem Fenster hatte er einen undeutlichen Schatten gesehen. Er zuckte die Schultern und drehte sich wieder um. Seine Hand griff an den Lichtschalter.
    Mit feinem Klicken sprangen die Leuchtröhren an. Sie tauchten die weißgekachelte Werkstatt in helles Licht. Die beiden Fensterflügel schlugen hin und her, als versuche jemand, dort hineinzukommen.
    „Was soll denn das?“ knurrte Hartmut Franke und ging zögernd auf das Fenster zu, den Spieß in der rechten Hand.
    Plötzlich ging alles sehr schnell. Draußen vor dem Fenster ertönte ein

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