0561 - Leichenwagen zur Hölle
den Motor an. Bevor er startete, meldete sich unser toter Freund noch einmal. »Da wäre noch etwas. Ich will mich ja nicht in eure Probleme einmischen und auch nichts mehr über den Wagen sagen, aber ich rechne damit, daß wir unterwegs noch Besuch bekommen werden.«
»Von wem?«
»Meine Freunde im Leichenwagen geben nicht auf. Sie wollen mich haben.«
»Und die anderen.«
»Ja, John.«
Suko lenkte den Wagen auf die Fahrbahn. »Hatten sie einen besonderen Grund?«
»Eigentlich nicht. Sie können nur nicht haben, daß wir… nun ja …« Er verstummte.
»Sprich dich aus«, forderte ich.
»Später vielleicht. Wir müssen erst bei den anderen sein. Immer geradeaus. Ich sage euch schon Bescheid, wann ihr abbiegen müßt. Hell’s Station ist berühmt in dieser Gegend. Eine alte Herberge, die schon vor langer Zeit ein Hort anderer Mächte war.«
»Ein Bahnhof zur Hölle, nicht?«
»Das haben andere gesagt, John.«
»Sie werden bestimmt recht haben.«
Suko schüttelte nur den Kopf. Wir fuhren hinein in den grauen Tag. Der Wind kam von Südwesten, hatte noch mehr aufgefrischt und brachte Wärme mit. Die Temperaturen stiegen an.
Ich konnte unseren ungewöhnlichen Gast im Spiegel der nach unten geklappten Sonnenbrille erkennen. Er hatte es sich bequem gemacht, saß schräg und lächelte vor sich hin. Niemand, der ihn so sah, wäre auf den Gedanken gekommen, einen Toten neben sich zu haben. Aber Larry Innes war tot, lebte nun wieder, war im Prinzip ein Zombie, auch wenn er mir nicht so vorkam wie die normalen, aus den Gräbern kriechenden Untoten, die halbverwest auf Menschenjagd gingen.
»Er ist nicht mehr weit entfernt«, meldete sich unser Gast nach einiger Zeit.
»Du meinst den Leichenwagen?«
»Sicher, John.«
»Kannst du ihn sehen?«
»Nein, aber spüren.«
Da hatte er uns etwas voraus. Ich jedenfalls merkte nichts davon, daß sich der schwarze Mercedes in unserer Nähe aufhielt. Manchmal kamen uns Fahrzeuge entgegen. Von ihnen drohte uns keine Gefahr.
Larry Innes bewegte sich auf dem Rücksitz. Manchmal pfiff er auch ein Liedchen. Wenn ich mich drehte und ihn anschaute, grinste er jedesmal.
»Jetzt sag nur nicht, daß das Leben doch schön ist, mein Freund.«
»Ich fühle mich wohl. Irgendwie komme ich mir vor wie ein Joker, weißt du?«
»Ich weiß nichts.«
Er wiegte den Kopf. »Nun ja, ich will es dir sagen. Robby, Isabella und ich sind Joker, weil sich zwei Parteien um uns streiten. Das ist alles.«
»Welche Parteien.«
»Die Hölle und die Verdammnis.«
»Der will dich verarschen, John.«
»Das Gefühl habe ich auch.«
»Nein, dein Freund hat unrecht. Ich will niemanden auf den Arm nehmen. Es ist tatsächlich so.«
»Das mußt du uns erklären.«
»Gut.« Er nickte. »Auf der einen Seite will uns der Teufel haben, das ist die Hölle. Kapiert?«
»Bis jetzt ja. Fehlt die Verdammnis.«
»Auf die komme ich noch. Einmal der Teufel und zum anderen ein gewaltiger Schatten. Tiefschwarz, ein Seelenzerrer, einer, der die Verdammnis liebt.«
Bei mir klickte es, bei Suko ebenfalls. So antworteten wir wie aus einem Mund. »Der Spuk!«
»Ja!« Larry freute sich. »Ich wußte doch, daß ihr ihn kennt. Es ist der Spuk. Er und der Teufel streiten sich um uns Tote. Du glaubst gar nicht, wie gut das tut, wenn man feststellt, daß man so prominent ist. Keiner hat bisher gewonnen.«
»Und der Leichenwagen?«
»Ist ein Instrument der Hölle.« Nun wußten wir halbwegs Bescheid. »Aber was sollen wir bei diesem makabren Spiel?«
»Ganz einfach.« Er lachte. »Ach nein, das werdet ihr sehen, wenn ihr am Ziel seid. Ich habe versprochen, nichts zu verraten. Das ist wie bei einer neuen Quizsendung. Da wird vorher auch der Mund gehalten. Ich sage nichts mehr.«
Suko warf mir einen schiefen Blick zu. Es klang alles sehr unglaubwürdig. Aber in diesem Fall war alles möglich. »Wie lange werden wir noch unterwegs sein?« wollte mein Freund wissen.
»Wir sind gleich da.«
»Wie schön.«
»Siehst du das Waldstück? Diesen großen, düsteren Schatten? Wir müssen ihn durchfahren und mitten im Wald abbiegen. Ein schmaler Weg führt zur Herberge. Früher sind ihn Kutschen gefahren…«
Der Leichenwagen hatte sich noch immer nicht gezeigt. Dafür kam uns ein Lebensmittel-Fahrzeug entgegen, das fast auf der Straßenmitte fuhr. Suko mußte ausweichen, um eine Kollision zu vermeiden.
Zu beiden Seiten der Straße hatte sich die Umgebung verändert.
Buschwerk wuchs hoch wie eine sperrige Wand. Es veränderte
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