0563 - Totensturm der Geisterfrau
die Füße schmerzten. Eine Pause konnte sich die Detektivin nicht erlauben, schwang sich auf dem Holz der Streckbank herum und stellte die Füße auf den Boden.
Viel mehr konnte sie von der Umgebung jetzt auch nicht erkennen. Vor ihr war die Mauer.
Und vor der Mauer stand der Mörder!
Er zeichnete sich dort ab, als hätte man ihn genau da und nicht anderswo hingestellt.
Jane stand auf. Erst als der Druck auf ihren Füßen lag, spürte sie auch die Schmerzen. Das Gefühl des Brennens zog sich von unten nach oben hin und endete erst in den Kniescheiben. Als sie die ersten beiden Schritte ging, da kam es ihr vor, als würde sie jeden Augenblick zusammenbrechen.
Die Detektivin biß die Zähne zusammen. Ihre Augen hatte sie zu Sicheln verengt. Nur keine Schwäche zeigen, hämmerte sie sich ein.
Das Moment der Überraschung ausnutzen. Vielleicht kann ich ihn packen und der Polizei übergeben.
Er schaute ihr entgegen.
In seinen Augen hatte sich wieder dieser blasse, türkisfarbene Schein ausgebreitet. Der stammte nicht von dieser Welt, er mußte ihm von Satan eingegeben worden sein.
Jane Collins wunderte sich darüber, daß der Teufel noch nicht eingegriffen hatte. Normalerweise hätte er längst etwas unternehmen müssen. Das Blatt zu wenden versuchen, aber er hielt sich zurück.
Oder wußte er tatsächlich nichts?
Der Bucklige hob die Hand. Es war eine Geste der Verlegenheit.
Jane versuchte, über den Rand der Mauer hinwegzuschauen. Sie wollte endlich sehen, wo man sie hingeschleppt hatte. An dieser Stelle jedoch war die Mauer zu hoch.
Wenn sie nach links sah, entdeckte sie, nicht allzu weit entfernt, eine Lichterspur in der Nacht. Gelbrote Lampen brannten dort als eine Warn- und Signalbarriere.
Sie ahnte, daß sie sich in einem Bau- und gleichzeitigem Sperrgebiet befand. Hier hätte sie der Killer quälen und töten können, ohne daß jemand etwas gehört hätte. Schrecklich!
Jane wollte nicht zu dicht an ihn herangehen. Sie mißtraute ihm nach wie vor und spürte, wie es kalt ihren Rücken hinabrann. Ein Zombie bereitete ihr immer Unbehagen.
Zwei Schritte vor ihm blieb sie stehen. Ihre Gedanken beschäftigten sich mit der Möglichkeit, dieses Wesen überwältigen zu können.
War sie als Hexe stärker als ein Untoter?
Eine richtige Hexe möglicherweise. Aber der Fluch war von ihr genommen worden. Was noch in ihr schwelte, konnte sie nur als einen winzigen Rest bezeichnen, der wieder zusammengebrochen war.
Der Wind strich über diesen Flecken Erde und brachte die Kälte der Nacht mit. Es tat ihr gut, auch wenn sie fror.
Jane ging in die Offensive. »Willst du mich noch immer töten?« fragte sie lauernd.
Der Bucklige kicherte. Es waren unheimliche Laute, die da aus seinem Maul rangen.
»Antworte.«
Er nickte ihr zu. »Du… du bist keine richtige Frau, kein richtiges Opfer. Du bist eine von uns!«
»Wie du gesehen hast!« bluffte Jane weiter.
»Gut. Dann werden wir die Aufgabe gemeinsam erfüllen. Wir gehen jetzt los, wir verlassen diesen Ort, und du wirst die nächste Frau für mich aussuchen.«
»Weshalb ich?«
»Du bist unverdächtig.«
»Aber nicht mit dir, wenn du an meiner Seite stehst.«
Er drehte sich um und zeigte die Mauer hoch. »Das ist kein Problem. Ich kenne geheime Wege, Abkürzungen…«
»Wo führen sie her?«
»Durch die Kanäle. Der Bauch von Paris hat schon vieles geschluckt. Er wird auch uns vertragen können, das kann ich dir versprechen. Sie bauen hier viel um, aber ich habe einen Eingang entdeckt, der uns in die Tiefe führen wird. Kommst du mit?«
Jane Collins überlegte nicht lange. Wenn sie hier wegkommen wollte, mußte sie sich darauf einlassen. Dieser Zombie kannte sich wesentlich besser aus als sie. Und er würde sie – das war besonders wichtig – in Wohngebiete führen.
»Na?«
»Laß uns gehen!«
»Ja, wunderbar.« Als Beweis seines Vertrauens drehte er ihr den Rücken zu, um die Mauer erklettern zu können.
Jane lächelte kalt. Wäre er ein normaler Mensch gewesen, hätte sie ihn mit einem Karateschlag erledigen können. So aber mußte sie abwarten, ob ihr irgendwann eine andere Möglichkeit einfiel, sich des sechsfachen Mörders zu entledigen.
Geschickt kletterte er die Mauer hoch, blieb auf der Kante hocken und nickte ihr zu. »Komm endlich!«
»Okay.«
Jane hatte Mühe, mit ihren Schuhen hochzuklettern. Sie wollte sie aber nicht verlieren und krümmte die Zehen, damit die Schuhe an ihren Füßen blieben.
Sie hockten sich auf der Mauerkrone
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