0568 - Die Braut des Wahnsinns
war, schnellte ich hoch und rannte auf die Bande zu.
Was ein Rennen werden sollte, erinnerte eher an die Vorstellung eines Clowns in der Eisschau. Nicht einmal drei Schritte konnte ich mich halten, als es mich wieder umriß. Es kam mir vor, als hätte mir jemand den Boden unter den Füßen weggezogen. Ich legte eine astreine Bauchlandung hin und rutschte weiter, genau in das Echo des fünften Schusses hinein. Diesmal lag die Kugel zu weit vorn. Nach dem Querschlag spritzte sie bereits gegen die Bande.
Ich konnte nur von Glück reden, daß der nicht sichtbare Schütze seine Waffe nicht perfekt beherrschte. So wie das letzte Geschoß, prallte auch ich gegen die Bande, drückte mich zur Seite und kam erst dann hoch, um mich auf die andere Seite zu wuchten, wo ich auf den harten Steinboden prallte, der nach Schmutz und Öl roch.
Zitternd blieb ich liegen. Ich dachte an Wendy Wilde, die entwischt war und sich an der gegenüberliegenden Seite befinden mußte.
Noch blieb ich in Deckung. Die Echos der Schüsse waren verrollt.
Stille lag über der Eisfläche.
Ich ließ fünfzehn Minuten verstreichen, bevor ich es wagte, über den Rand zu schielen.
Die Eisfläche sah ich nun aus einer anderen Perspektive und erkannte Wendys Umriß. Sie bewegte sich ziemlich hektisch, ich hörte sie auch sprechen. »Simon, bitte…«
»Komm mit!«
Dann klappte eine Tür zu, es wurde wieder still. Aber ich hatte etwas gehört.
Der Name Simon war gefallen. Er hatte sich ebenfalls in der Nähe aufgehalten und sicherlich auf mich geschossen. Eine andere Alternative kam für mich nicht in Betracht.
Als ich wieder über die Eisfläche schritt, spürte ich im Nacken das Kribbeln. Ich hielt die Beretta schußbereit, doch im Augenblick feuerte keiner mehr auf mich.
Über die andere Bande kletterte ich normal. Das Mädchen hatte mir etwas von Ratten erzählt. Eine lag auch auf der Fläche, andere jedoch entdeckte ich nicht.
Das hatte wiederum nichts zu bedeuten. Ratten besitzen gewisse Schlupflöcher, die nur sie kennen und die von den Menschen kaum entdeckt wurden.
Ich begab mich nicht auf die Suche nach diesen Löchern, sondern schaute nach, wo die Tür ins Schloß gefallen sein konnte.
Zwangsläufig landete ich dort, wo sich die Umkleidekabinen und Aufenthaltsräume der Läufer und Läuferinnen befanden.
Der leere Gang, in dem ich stand, strahlte einen irgendwie kalten Horror ab. Er traf auch mich, und auf meinem Rücken lag eine zweite Haut. Die Türen innerhalb des betonierten Mauerwerks kamen mir abweisend vor. Sie waren auch abgeschlossen.
Am Ende des Ganges kehrte ich um. Es hatte keinen Sinn mehr, noch weiter nach den beiden zu suchen.
Ich verließ das Gelände und blieb auf dem Parkplatz stehen, wo ich auch meinen Rover abgestellt hatte. Wenn ich nach rechts schaute, sah ich die Rückseite des Hauses, in dem Gunhilla von Draben residierte. Ich war sicher, daß sie mehr wußte, als sie zugegeben hatte.
Wer war Simon?
Ich erinnerte mich, einen dunkelhaarigen Mann bei Gunhilla gesehen zu haben. Was die beiden miteinander sprachen, hatte ich nicht verstehen können.
Der Mann, der Wendy gepackt hatte, war ebenfalls dunkelhaarig gewesen. Soviel hatte ich noch erkennen können. Zufall? Gehörten beide zusammen? War er dieser Simon?
Was lief im Institut Happy Years zusammen?
Ich würde ihr noch einmal einen Besuch abstatten, das stand für mich fest. Nur diesmal nicht als Trottel.
»Mr. Sinclair?«
Ich erschrak über die Stimme. Den Sprecher hatte ich nicht kommen sehen. Dafür entdeckte ich ihn, wie er sich aus einer Lücke zwischen zwei geparkten Wagen hervorschob.
»Kennen wir uns?« fragte ich.
»Nicht persönlich, aber wir haben schon miteinander gesprochen, wenn Sie sich erinnern.«
Es fiel mir wie Schuppen von den Augen. Dieser Mann war der Anrufer und der Überbringer der Kassette…
***
Wendy sah in Simons Gesicht, sie erkannte den verzerrten Ausdruck, aber sie sah noch mehr.
Das Gewehr in seiner linken Hand. Mit der rechten hielt er sie gepackt. Die Finger umschlossen ihren Arm in Ellbogenhöhe wie starke Eisenklammern. Wendy fand nicht die Kraft, sich aus dem Griff zu befreien. Zudem starrte sie die Waffe an.
»Du!« keuchte sie. »Du hast geschossen, nicht wahr? Du besitzt das Gewehr. Du wolltest uns töten.«
»Ich habe die Waffe gefunden«, erwiderte er mit einem verzerrten Grinsen. »Gefunden!«
»Lügner!«
»Komm mit!« keuchte er und riß sie einfach zur Seite. Es machte ihm nichts aus, daß sie noch
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