0568 - Die Braut des Wahnsinns
ihre Schlittschuhe trug. Er wollte so rasch wie möglich weg von hier. Wendy Wilde mußte aus der unmittelbaren Gefahrenzone geschafft werden. Dieser Sinclair hatte sich schon zu stark um sie gekümmert. Wendy war nicht das Mädchen, das Nerven besaß und schwieg.
Sie stemmte sich gegen seinen Druck. Sekundenlang rührten sich die beiden nicht von der Stelle. Ihre Blicke fraßen sich ineinander.
Wendy schaute in die dunklen Augen, fing plötzlich an zu zittern, und innerhalb eines Atemzuges brach für sie eine Welt zusammen.
Wie hatte sie nur diesen Mann heiraten wollen!
Simon Arisis merkte, daß mit Wendy eine innerliche Veränderung vorgegangen war. Die weiche Tour zog nicht, er mußte es auf die harte versuchen. »Komm endlich!« Brutal riß er sie fort.
Ihr blieb nichts anderes übrig, als hinter ihm herzustolpern, denn ein Gehen war auf den schmalen Kufen leider nicht möglich. Wendy schwankte, sie kippte mal nach links, dann wieder nach rechts und scheuerte mit der Schulter an der Gangwand entlang. Auf dem glatten Boden hinterließen die harten Kufen Streifen und zeichneten den Weg nach, den beide nahmen. Sie waren untergetaucht und bewegten, sich auf einen der versteckt liegenden Ausgänge zu.
»Ich will nicht!« kreischte Wendy.
Er drehte sich um. Dann schlug er zu. Der Gewehrkolben traf ihre Schulter. Zuerst spürte sie nichts, dann zog der Schmerz durch den Arm. Wendy war bleich geworden und stöhnte, aber sie wehrte sich.
In einem Wutanfall stieß sie ihr rechtes Bein vor und rammte die Kufe gegen Simons Oberschenkel. Der Stahl konnte wie ein Messer wirken. Er zerschnitt auch den Stoff, schlitzte die Haut auf und hinterließ eine klaffende Wunde.
Simon hätte schreien können und Blut hätte aus der Wunde quellen müssen, es war jedoch nur ein dünner, hellerer Saft, der den Stoff des Hosenbeins tränkte.
Simon schrie nicht. Er lachte nur laut auf. »Was willst du, Kleine? Mich verletzen?« Wieder dröhnte sein Lachen durch den Gang, bevor er Wendy fortschleuderte.
Er hatte ihr dermaßen viel Schwung gegeben, daß erst die rückwärtige Tür sie stoppte. Wuchtig prallte Wendy dagegen und spürte wieder den Schmerz in ihrem Arm.
Sie brach zusammen, weinte und merkte kaum, daß der Mann sie in die Höhe riß. »Die Kapelle wartet!« flüsterte er. »Die Kapelle und auch die Hochzeit. Glaub nur nicht, daß ich eine Braut entwischen lasse. Glaub das nur nicht…«
Sein Lachen wurde zu einem schauerlichen Totengesang, als er mit der wehrlosen Wendy seinen Weg fortsetzte und ihr am Ziel erst die Schuhe von den Füßen riß.
Er schleuderte sie zu Boden. Durch den Windzug wehte der leichte Tüll des Brautkleids hoch und legte sich wie ein feiner Schleier aus Gaze über ihr Gesicht.
»Zieh dein Kleid an, Wendy! Zieh es an!« keuchte Simon und verschwand.
Die Tür hämmerte er hart zu. Es klang, als wäre ein Sargdeckel zugeschlagen worden.
***
Ich rührte mich nicht, denn der andere hatte etwas von mir gewollt.
Sollte er zu mir kommen.
Er kam auch. Obwohl er sich noch zwischen den beiden abgestellten Fahrzeugen befand, schien er dem Braten nicht zu trauen, denn während des Gehens blickte er sich vorsichtig um, als hätte er Furcht vor einem Hinterhalt.
Auf mich war geschossen worden, auf ihn nicht. Zudem war die Umgebung eine andere. Zwar auch relativ düster, aber auch belebt, weil auf dem Parkplatz ein ständiges Kommen und Gehen herrschte. Manche verließen, andere suchten ihre Fahrzeuge auf.
Ich hatte ihn noch nie zuvor gesehen. Sein braunes Haar wirkte ungepflegt. Es wuchs in zahlreichen Wirbeln auf seinem Kopf. Das Gesicht zeigte einen etwas hinterhältigen Ausdruck. Mit der rechten Hand schabte er über das Dach eines abgestellten Autos hinweg. Er trug eine dünne Jacke und dazu eine braune Hose.
»Sie waren da, nicht wahr?«
Ich nickte und fragte gleichzeitig nach seinem Namen.
»Tim Goodman.«
»Okay, Mr. Goodman. Ich freue mich, daß Sie aus Ihrem Schneckenhaus hervorgekrochen sind. Ihnen habe ich den Film und die beiden Anrufe zu verdanken.«
»Genau.«
»Und Sie wissen sicherlich mehr über dieses Heiratsinstitut, das sich Happy Years nennt?«
»Etwas.«
»Schön, da ich so gut wie nichts darüber weiß, wäre es besser, Sie würden mich aufklären.«
»Hier?« fragte er.
»Wir können auch woanders hingehen. Mir ist das völlig egal, wissen Sie.«
»Nein, nein, wir bleiben hier.«
»Gut. Der Film war echt, nehme ich an?«
»Ja, Carol starb.«
»Ah, so heißt
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