0569 - Teufel im Leib
seiner Seele schauen.
Reva nickte. »Der Mund, ja, das ist es. Ich werde den Mund noch ändern müssen. Was meinst du, Gerd?«
»Natürlich. Du hast recht.«
»Ich male ihn geöffnet.«
»Es ist wichtig«, erwiderte Bode wie ein Automat.
Reva war wieder motiviert worden. Sie griff zu einem anderen der fünf Pinsel unterschiedlicher Stärke. Er war sehr fein. Seine Haare klebten dicht zusammen. Damit würde sie dünne Striche zeichnen können und auch andere Dinge.
Etwas veränderte sie an den Lippen. Sie brauchte kaum Zeit für diese Veränderung, aber Will sah, daß sie den Mund größer gemalt hatte. Er stand jetzt halb offen.
»Wunderbar«, machte sie sich selbst Mut. »Ich bin einfach wunderbar.« Dann malte sie weiter, nahm einen anderen Pinsel und tunkte die Spitze in eine Farbe, die wahrscheinlich bei Tageslicht weiß aussah. Bei dieser Beleuchtung wirkte sie nicht so.
Sie malte die Zähne. Da der Mund halb offen stand, waren diese ziemlich deutlich zu sehen.
Wieder schaute sie auf Will, nickte und drückte ihren Oberkörper etwas nach links, so daß sie dem Kommissar die direkte Sicht auf das Kunstwerk nahm.
»Du mußt an die Augen denken«, meldete sich Bode. »Sie sollen dem Ausdruck des alten Blutes gerecht werden.«
»Keine Sorge, mein Freund, das werden sie auch.«
»Wie meinen Sie das?« fragte Mallmann.
Reva knickte ihren Arm. Lautlos geschah dies, nicht ein Knochen schabte oder splitterte. »Das werden Sie gleich sehen, Kommissar. Sie werden es sehen und spüren. In wenigen Minuten ist mein Kunstwerk vollendet, genau um Mitternacht. Wie es sich gehört.«
Aus ihrer Sicht betrachtet, hatte sie völlig recht. Mitternacht war die Zeit der Blutsauger. Da hatten sie längst ihre makabren Schlafstätten verlassen, um sich auf die Jagd nach Blut zu begeben.
Die Tageswende hatte schon immer Gut und Böse angeregt. Da erwachten die Geschöpfe der Nacht, der ewigen Finsternis…
Reva malte weiter und konzentrierte sich dabei mit einer anderen Farbe auf die Augen.
Will hatte nicht sehen können, welche es war. Jedenfalls nicht hell, auch nicht tiefschwarz. Er besaß braune Augen mit noch etwas dunkleren Pupillen. Möglicherweise war es Reva durch Mischen gelungen, den Farbton, zu treffen.
Bode hinter Mallmann schien nervös zu werden. Er hatte seine starken Hände bisher bewegungslos auf der Lehnenkante liegen gehabt. Jetzt krümmte er sie und bewegte dabei sein Finger, um einen Rhythmus gegen das Holz zu klopfen.
Über den Grund zerbrach sich Mallmann den Kopf. Er konnte sich nur vorstellen, daß es allmählich dem Ende und damit auch dem Höhepunkt zuging.
Der Knochenarm sank nach unten. Noch einmal wechselte Reva den Pinsel, schaute Mallmann an, lächelte zuckend und malte in den unteren Teil des Gesichts etwas hinein.
Will konnte auch weiterhin nicht die Gesamtheit des Gemäldes erkennen. Erst als Reva den Pinsel zur Seite legte, sich straffte und zurückbeugte, fiel Wills Blick auf das Gemälde.
In der letzten Zeit hatte er den dumpfen Druck in seinem Kopf vergessen. Der kehrte zurück, als das Blut wieder stärker durch seine Adern strömte. Obwohl sich der Kommissar nicht im Spiegel sah, wußte er, daß sein Gesicht eine starke Rötung angenommen hatte.
Was er sah, durfte nicht wahr sein!
Vor dem halben, bleichen Mond war sein Gesicht zu sehen. Es gab keinen Zweifel, Reva hatte die Züge des Polizisten haargenau getroffen. Sie aber gleichzeitig verfremdet, und zwar auf eine schlimme und schaurige Art und Weise, wobei nur wenige Pinselstriche ausgereicht hatten.
In die Augen hatte sie eine dunkelrote Farbe hineingetupft. Sie war nicht sehr dick aufgetragen worden, wirkte mehr wie gesprüht, so daß im Hintergrund das Weiße des Augapfels noch durchschimmern konnte.
So hatten die Augen einen mehr hellroten Farbton bekommen. Davor schauderte Will Mallmann kaum. Es war vielmehr der Mund, der ihm diesen Schrecken einjagte.
Ja, zwischen Ober- und Unterlippe klaffte eine Lücke. Nur die obere Zahnreihe schimmerte durch, und genau dort hatte Reva die Veränderung eingezeichnet. Zwei helle Dolche stachen aus dem Oberkiefer hervor. In Höhe der normalen Zähne waren sie noch ziemlich dick, nach unten jedoch liefen sie sehr spitz zu.
Vampirhauer…
Reva ließ Zeit verstreichen, damit sich Mallmann an den Anblick des Bildes gewöhnen konnte. Erst nach einer Weile fragte sie: »Nun, Kommissar, was sagen Sie dazu?«
Mallmann schluckte. »Ich… ich«, flüsterte er.
»Das bist du!«
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