0569 - Teufel im Leib
Kerzen.
Langsam ging er zurück. Angst durchflutete ihn nicht gerade, doch es war ein Gefühl der latenten Furcht, die irgendwo festsaß und sicherlich einmal hervorbrechen würde.
Irgendwo klappte eine Tür. Dann füllten Schritte die Halle aus.
Gerd Bode kehrte zurück. Er trug ein Tablett. Der Orangensaft in der Karaffe sah frisch aus.
Reva winkte ihn herbei. Sie selbst schenkte aus der Karaffe in das Glas und reichte es Will. »Bitte sehr.«
Der Kommissar zögerte noch. Reva lachte. »Keine Sorge, es ist reiner Orangensaft. Ohne jeglichen Zusatz. Also kein Gift und auch kein Schlafmittel.«
Mallmann glaubte ihr. Da er tatsächlich großen Durst verspürte, trank er auch.
Bode und Reva warteten, bis Will das Glas leer zur Seite gestellt hatte.
»Noch einen Schluck, Kommissar?«
»Nein, danke«
»Na, vielleicht später.« Sie wandte sich an Bode. »Ich werde mit unserem Gast eine kleine Besichtigung vornehmen. Du weißt schon, wo wir hingehen.«
»Natürlich.«
Bode verschwand so lautlos wie ein gut geschulter Butler. Reva ging auf Mallmann zu, drehte sich und reichte ihm ihren Arm.
»Kommen Sie, haken Sie sich ein, Kommissar.«
»Danke.«
Will nahm das Angebot an. Er wollte vorerst mitspielen. Außerdem mußte er erfahren, was diese Reva mit ihm vorhatte. Sie hatte ihn gezielt suchen lassen und ihn auch gefunden. Wie er auf das Schloß gelockt worden war, darüber wollte er einiges sagen, zunächst allerdings tat er so, als würde er sich voll und ganz in sein Schicksal ergeben.
Der Kommissar spürte den sehr dünnen Stoff, der sich wunderbar anfühlte. Kühl und warm zugleich, im Prinzip. Nur wunderte er sich darüber, daß der Körper dieser Frau so gut wie keine Wärme ausströmte. Unter dem Stoff war die Haut kalt.
Zu kalt für einen Menschen…
Mallmann registrierte dies, er riß sich aber zusammen. Oder hoffte es, getan zu haben. Trotzdem war Reva etwas aufgefallen, denn sie fragte: »Ist etwas?«
»Nein, nein, schon gut.«
»Sie schraken zusammen, Kommissar?«
»Unbewußt.«
Sie ging mit ihm auf die Kerzen zu. »Nein, das glaube ich Ihnen nicht. Sie hatten schon Ihren Grund, aber es ist nun mal eine Tatsache, daß gewisse Geschöpfe nicht die Wärme eines Menschen besitzen. Das sollten Sie wissen.«
»Können Sie sich da genauer ausdrücken?«
»Aber gern.« Sie blieb stehen, drehte den Kopf nach links, schaute ihn an – und lächelte.
Sehr langsam zog sie die breiten, dabei auch vollen Lippen zurück.
Will schaute gegen ihre Zähne, die normal waren – bis auf die beiden Vampirhauer, die aus dem Oberkiefer wuchsen…
***
Reva war also eine Blutsaugerin!
Mallmann überlegte, ob er es hätte wissen müssen. Höchstens ahnen. Er dachte an den Fund im Wald, an das klebrige Blut auf den Blättern, an Bodes Verschwinden, der jetzt aufgetaucht war und so bleich wirkte. Nun wußte Will, wie Reva diesen eisenharten Kämpfer hatte auf ihre Seite ziehen können.
Durch einen Vampirbiß!
Mallmann bekam eine Gänsehaut. Das Gesicht vor ihm schien zu wachsen. Die wächserne Bleiche auf Wangen und der Stirn, der Schein der Kerzen, der eine Aura um ihr schwarzes Haar legte, die ungewöhnlich dunklen Augen, die mit einem tödlichen Versprechen gefüllt waren, der breite Mund mit den in der Mitte etwas nach unten gebogenen Oberlippe – ja, sie war ein Vampir, ein Zerrbild des Menschen, die Dunkle Seite des Lebens. Grausam und trotzdem faszinierend.
Reva selbst schien sich in eines ihrer Porträtbilder verwandelt zu haben. Es hätte Mallmann viel früher auffallen müssen, daß sie nicht atmete. Er schrieb es seinem Zustand zu, nun wußte er Bescheid.
Sie schloß ihren Mund mit sehr langsamen Bewegungen. Die Lippen ließ sie zusammengepreßt, als sie nickte.
»Was sind Sie?« fragte Mallmann. »Eine Vampirin, eine Malerin?«
»Beides, Kommissar. Eine malende Vampirin, die einen sehr großen Auftrag bekommen hat.«
»Vom wem?«
Sie sprach einen Satz aus, der Will irritierte. »Hüte dich vor Dracula! So habe ich es einigen Menschen gesagt. Sie aber brauchen sich nicht davor zu fürchten.«
»Vampire sind und können meine Freunde nicht sein. Das nur zur Information.«
»Wir werden sehen. Kommen Sie, Kommissar, wir haben noch einiges vor uns«, flüsterte sie vieldeutig und deutete schräg nach vorn, wo sich der Beginn einer breiten Treppe befand, die in einem weiten Linksbogen in die Höhe führte.
Noch lag die Treppe im Finstern, was sich sehr bald änderte, als Will das Schaben
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