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057 - Im Banne des Unheimlichen

057 - Im Banne des Unheimlichen

Titel: 057 - Im Banne des Unheimlichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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meines Todes!«
    Betty blieb stumm. Kalte Schauer liefen ihr über den Rücken.
    Der alte Mann sprach weiter:
    »O goldene Stimme der höchsten Gerechtigkeit, welche Weisungen bringst du mir aus höheren Sphären?«
    Sie vermochte nur, ihm den Brief entgegenzustrecken. Der Umschlag enthielt keine Adresse, hatte aber oben in der linken Ecke ein sonderbares Zeichen, das Betty früher schon aufgefallen war und jetzt eine merkwürdige Wirkung auf den Besucher ausübte. Als nämlich sein Blick darauf fiel, warf er sich auf die Knie, beugte sich tief hinunter und küßte den Saum ihres Kleides.
    »Darf ich jetzt gehen, o lang Erwartete?«
    Unfähig zu sprechen, nickte sie nur. Die Tür schloß sich hinter ihm. Wie erstarrt blieb sie stehen.

12
    Zehn Minuten später wurde die Tür aufgerissen, und Doktor Laffin stürmte herein. Er war bleich und ungewöhnlich erregt. »Nun, Mädchen, was ist geschehen?« fragte er ohne den sonst bei ihm üblichen gezierten Tonfall.
    »Ich weiß es nicht«, sagte sie dumpf. »Ich begreife es nicht ... Der Mann in dem seltsamen Gewand mit dem langen weißen Haar - er küßte den Saum meines Kleides. Oh, Doktor, was hat das alles zu bedeuten?«
    »Hast du ihm die Botschaft gegeben? Du gabst sie ihm doch?« wiederholte er hastig. »Zieh dich jetzt um und komm nach Hause.«
    »Aber - ich kann nicht mehr hierherkommen«, sagte sie verzweifelt. »Was du auch tun magst, um mich zu zwingen, es ist mir gleich, ich kann nicht mehr.«
    Zu ihrer Verblüffung nickte er zustimmend.
    »Ich verlange es auch nicht, es ist überflüssig geworden. Deine Arbeit ist noch nicht beendet, aber sie geschieht nicht hier.« Er wandte sich dem Geschäftsführer zu. »Schließen Sie morgen dieses Geschäft und räumen Sie alles aus. Ich habe Sie für einen Monat verpflichtet und werde Ihnen auch das Gehalt für einen Monat zahlen.«
    »Aber sollen wir denn keine Schreibtische verkaufen?« stammelte der kleine Mann maßlos erstaunt.
    Dr. Laffin würdigte ihn keiner Antwort.
    Da die Rolläden vor dem Schaufenster heruntergelassen worden waren, hatte sich die Menge zerstreut. Als Betty mit dem Doktor den Laden verließ, war niemand mehr auf der Straße, der sie neugierig anstarrte. Laffin hatte sein Taxi warten lassen.
    »Ich möchte auf dem Verdeck eines Autobusses nach Hause fahren«, sagte sie. »Ich habe Kopfschmerzen und .«
    »Du kommst mit mir nach Hause, meine Liebe«, unterbrach sie Laffin, der seine Ruhe wiedergewonnen hatte. »Ich habe mit dir zu reden.«
    »Aber ich habe mich mit Clive zum Tee verabredet ...«
    »Du kommst mit mir nach Hause. Clive kann warten - falls du jenen mittellosen jungen Mann meinst, der den Titel Lord Lowbridge trägt.«
    Sie konnte auf der Straße keine Szene machen. Sie hätte auch mit weiterem Widerstreben nichts erreicht. So stieg sie vor ihm ins Auto, entschlossen, die kommende Unterredung möglichst abzukürzen.
    Das Auto hielt vor dem Haus in der Camden Street. Der Doktor stieg aus und bot ihr die Hand. In diesem Augenblick befiel sie eine Vorahnung kommender Gefahr.
    »Ich möchte nicht ins Haus«, sagte sie. »Kann der Chauffeur uns nicht im Park herumfahren? Dabei kannst du mir ja mitteilen, was du mir zu sagen hast. Ich muß vor dem Abendessen zu Hause sein ...«
    »Du wirst auf ein paar Minuten zu mir hereinkommen - ich verspreche dir, dich nicht länger als fünf Minuten aufzuhalten.«
    Furcht vor einem Auftritt veranlaßte sie, nachzugeben. Ohne nach rechts oder links zu blicken, folgte sie ihm durch das wacklige Gartentor. Sie ahnte nicht, daß jemand ihre Ankunft interessiert beobachtete.
    Der Doktor stieß die Tür zu seinem Arbeitszimmer auf. Wieder zögerte sie, einzutreten. Es gab eigentlich keinen Grund, weshalb sie sich gerade in diesem Moment mehr vor ihm fürchten sollte als früher.
    »Du brauchst den Laden nicht mehr zu betreten, Elisabeth«, begann er sofort. »Zweifellos wird dich das freuen.« Er bot ihr einen Stuhl an, und da sie gewöhnt war, zu gehorchen, setzte sie sich folgsam. »Du wirst dich erinnern, vor einem Jahr habe ich dir oben eine Wohnung eingerichtet. Es geschah auf deinen Wunsch hin, und ich habe keine Kosten gescheut ...«
    In Wirklichkeit hatte er nur auf dem Treppenabsatz im obersten Stockwerk eine Abschlußtür anbringen lassen. Die Kosten waren sehr gering gewesen, und außerdem hatte er jeden Posten auf der Rechnung des Zimmermanns bekrittelt.
    »Was willst du damit sagen?« erkundigte sie sich mißtrauisch.
    »Es ist alles noch so,

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