057 - Schreckensmahl
zu arbeiten. Das mag verlockend klingen. An der Seite
dieser schönen Frau führte ich das Leben eines Müßiggängers. Aber auch das kann
einem Mann zum Hals ‘raushängen, wenn die Frau, mit der man zusammenlebt,
manisch-depressiv ist, wenn sie einem das Leben zur Hölle macht.
Lydia wurde launisch, aus heiterem Himmel schlug ihre
Stimmung um. Sie ließ mich spüren, daß ich abhängig von ihr war. Zur Raserei
brachte mich schließlich alles, was mit ihr zusammenhing. Ich konnte nicht mehr
sehen, wie sie sich eine Zigarette anzündete, wie sie gelangweilt auf dem
Sessel saß, die Beine übereinandergeschlagen, in einem Magazin blätterte und
hin und wieder einen hochnäsigen Blick zu mir herüber warf. Die Atmosphäre war
vergiftet, sobald Lydia in der Nähe war. Ihre Person war für mich unerträglich
geworden. Ich fing an, sie zu hassen, und zwar so sehr, daß man es mit Worten
nicht beschreiben kann. Alles an ihr war mir vertraut, wie sie redete, wie sie
sich bewegte. Sie war eine langweilige Person.
Sie widerte mich an. Ich beschloß, sie zu töten.
Der Gedanke stand fest für mich. Ich wußte, daß sie mir
testamentarisch zwei Millionen Mark hinterlassen wollte und daß ich dieses Geld
verlor, wenn unser Verhältnis weiterhin so abkühlte.
Ich ging zu ihrem Anwalt. Ich sagte ihm klipp und klar,
daß ich die Absicht hätte, Lydia zu ermorden. Auf eine Art und Weise
allerdings, die nicht alltäglich sei. Er könnte sich an der Erbschaft, die mir
nach ihrem Tode zufiel, beteiligen. Ich versprach ihm eine Million. Dafür hatte
er nur zwei Dinge zu tun: zu schweigen und ein eventuell geändertes Testament
Lydias verschwinden zu lassen.
Lydias Angst vor Schlangen hatte ich nicht vergessen. Ich
fing an, sie zu quälen. Ich besorgte mir Bilder und hängte sie auf. Bilder von
Schlangen. Sie fürchtete sich schrecklich. Das mag ein Außenstehender, der
nicht weiß, was eine Phobie wirklich ist, erstaunlich finden. Es kam zu
Streitereien, und ich machte ihr so beiläufig den Vorschlag, daß sie doch in
die Behandlung eines Psychotherapeuten gehen könne, um sich von ihrer Phobie
kurieren zu lassen.
Im stillen hoffte, ich, daß sie sich dazu entschloß, denn
das würde mich endgültig absichern und auch die letzte Lücke schließen.
In der Zwischenzeit hatte ich Lydia gestanden, was ich
früher wirklich arbeitete. Sie war entsetzt. Ich durfte mich ihr nicht mehr
nähern. Der Gedanke daran, daß ich Schlangen angefaßt, daß ich mit ihnen gelebt
hatte, ließen Schaue r über ihren Rücken rieseln.
Sie fuhr nach München zu Dr. Winter, einem Psychotherapeuten,
der für gutes Geld die Prominenz behandelte. Lydia gestand ihm ihre ungeheure
Angst vor Schlangen. Dr. Winter versprach ihr zu helfen.
Ich steigerte meine Qual. Seit Wochen schliefen wir
getrennt.
In der Nähe ihres Bettes stellte ich einen verschlossenen
Schrankkoffer auf. Verschlossen ist zuviel gesagt. Nur die Schnappschlösser
waren zugedrückt. Man konnte sie ohne Schlüssel öffnen.
Es war nach der dritten Behandlung bei Dr. Winter, als
Lydia von München zurückkam – und den Koffer sah.
»Was ist da drin?« wollte sie wissen.
»Schlangen!« sagte ich nur. Ich ließ sie nicht aus den
Augen.
Sie atmete schwer und wurde kreidebleich. »Du willst mich
langsam aber systematisch zermürben, mein Lieber!« sagte sie keuchend. Sie
wagte es nicht, näher als fünf Schritte an den dunklen, drohend aussehenden
Schrankkoffer heranzugehen.
»Ich weiß genau, daß keine Schlangen drin sind, dennoch
fürchte ich mich davor, den Koffer zu öffnen. Schon der Gedanke daran, daß …«
Sie schüttelte sich. Schritt für Schritt wich sie zurück.
»Aber lassen wir das! Dieser kleine Privatkrieg wird zu irgend etwas nütze
sein. Eines allerdings verstehe ich nicht: warum lassen wir uns nicht einfach
scheiden?«
»Weil jeder es genießt, den anderen zu quälen, nicht
wahr?«
entgegnete ich darauf. Ich traf damit den Nagel auf den
Kopf.
»Es wird sich herausstellen, wer es länger aushält – ich
oder du!« Sie lachte. »Du bist mit den Nerven ziemlich herunter.
Das wird sich nur noch verstärken. Bei mir allerdings
wird sich etwas verbessern. Dr. Winter setzt die neuesten Methoden ein, um mir
meine ungewöhnliche Angst zu nehmen. Wir werden Erfolg haben. Davon sind er und
ich überzeugt – und deshalb schockt mich dein Schrankkoffer gar nicht, in dem du
angeblich Schlangen versteckt hältst.«
Ich näherte mich dem Koffer und sah die nackte Angst in
ihren
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