0572 - Terror der Vogelmenschen
grausam, sie ist böse. Sie hält uns unter Kontrolle.«
»Wenn sie tatsächlich erscheinen sollte«, sagte ich, »solltest du, Iris, nicht mehr im Freien sein und dich in deinem Haus befinden. Wir werden so schnell wie möglich hingehen.«
Diesmal widersprach Iris nicht. Wahrscheinlich dachte sie darüber nach, daß wir es gewesen waren, die sie vor Schlimmerem bewahrt hatten. Möglicherweise hatten wir ihr sogar das Leben gerettet, denn diesen Vögeln traute ich inzwischen alles zu, auch einen Mord.
Zurück ließen wir einige Vogelkadaver. Sie lagen als makabre Andenken der Attacke auf der provisorischen Straße und konnten von jedem Bewohner gesehen werden.
Iris ging schneller. Den Kopf hielt sie gesenkt.
Bei jedem Schritt, den wir zurücklegten, rückte auch der Hafen näher. Aus der Ferne hatte er ziemlich normal ausgesehen. Nun erkannte wir, daß es sich um ein ziemlich primitives Bauwerk handelte. Man hatte sich eine Laune der Natur zunutze gemacht, denn zwei schmale, höckerartige und zum Meer hin abfallende Felsen stießen wie Schutzwälle in die anrollende Brandung hinein.
Die primitive Straße mündete in einen Platz. Dort ragten Holzgestelle hoch, an denen Netze zum Trocknen aufgehängt waren. Wenn der Wind gegen sie fuhr, bewegten sie sich wie Schleier.
Die Schiffe lagen an der Mole. Ihre Taue waren um Eisenpfosten gewickelt. Wenn eine Welle besonders stark gegen die Mauer schwappte, schäumte Gischt über und näßte die Mole.
Wir bogen nach links ab, passierten Zäune und kleine Schutzmauern, hinter denen kleine Häuser standen. Manche von ihnen kamen mir nicht größer vor als Geräteschuppen.
Ich wunderte mich nicht mehr, daß uns niemand begegnete. Die Menschen hatten sich in ihren Häusern verkrochen, weil sie glaubten, dem Fluch damit entwischen zu können.
Es war nicht der richtige Weg. Man mußte sich den Tatsachen stellen, auch wenn sie noch so schlimm waren. Nur konnte ich den Bewohnern keinen Vorwurf machen. Sie hatten bisher in ihrer eigenen Welt gelebt. Alles andere existierte für sie nicht.
»Hier ist das Haus«, sagte Iris mit leiser Stimme und deutete nach vorn, wo ein Gebäude quer stand.
Es gehörte zu den kleineren Bauten und erinnerte mich wieder an den Vergleich mit einem Schuppen. Trotzdem fiel er aus dem Rahmen, denn jemand hatte die Außenfassade hellgrün gestrichen und sie den sommerlichen Farben der Insel angepaßt.
»Warst du das mit dem Anstrich?« fragte ich Iris.
»Ja. Ich habe das Grau einfach nicht mehr vertragen.« Sie hob die Schultern. »Ich mag die langen Winter nicht, denn ich liebe die Sommertage und auch die Nächte.«
»Das kann ich verstehen.«
Suko stand schon an der Tür. »Hast du abgeschlossen?« fragte er.
»Nein, das macht hier niemand.«
Er streckte uns die linke Hand entgegen. Mit der anderen zog er die Beretta. »Ich schaue mal nach.«
»Okay.«
Suko drückte die Tür auf, und ich hörte das Flüstern des Mädchens. »Ihr habt Pistolen?«
»Ja.«
»Ich mag Waffen nicht. Ich hasse sie sogar.«
»Da hast du recht. Ich hasse sie im Prinzip auch. Nur kommt man manchmal nicht ohne sie aus. Das ist es eben.«
»Wer seid ihr?« Iris spürte instinktiv, daß wir nicht zu den Menschen zählten, mit denen sie normalerweise zu tun hatte. Wir waren eben anders, allein durch die Bewaffnung.
»Nimm einfach an, daß wir gekommen sind, um dir und den anderen auf der Insel zu helfen.«
»Soll ich das glauben?«
»Es bleibt dir überlassen, Iris. Aber wir sind nicht zufällig hier, das will ich dir noch sagen.«
»Ich glaube es jetzt sogar.«
Suko kehrte zurück. In der offenen Tür blieb er stehen und nickte beruhigend. »Ja, es ist alles klar. Vögel oder Vogelmenschen habe ich nicht entdecken können.«
»Gut.« Ich schob Iris vor, auf den Eingang zu. So ganz schien sie dem Frieden wohl doch nicht zu trauen.
Mir erging es nicht anders. Auch ich schritt etwas steif auf die Tür zu.
Suko machte uns Platz.
Kleine Häuser sind oft sehr gemütlich, können aber manchmal auch ziemlich düster sein.
Das erlebte ich hier nicht. Zur Rückseite hin überraschte mich die Größe eines Fensters, das bis zum Boden reichte und fast die gesamte Breite des Hauses einnahm. Durch die große Scheibe konnte eine Menge Licht fallen. Das brauchte Iris auch.
Sie hatte uns erzählt, daß sie sich durch Töpfern ihren Lebensunterhalt verdiente.
Das war zu sehen. Nahe der Scheibe hatte sie sich ihren Arbeitsplatz eingerichtet. Drei Töpferscheiben sahen
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