0573 - Der uralte Henker
italienischen Flachlandes, der Po-Ebene. Ich näherte mich Brescia.
Links von mir schimmerten hell die herrlichen Berge in der Sonne.
Es lag tatsächlich so gut wie kein Schnee. Nur auf den Gipfeln hatte sich eine weiße, glitzernde Haube gehalten. Schnee und Eis vermischt, Firn bildend, der in der Sonne taute und des Nachts wieder gefror.
Auf das Kloster und auf Pater Bernardo war ich gespannt. Von Father Ignatius hatte ich nur Gutes über ihn gehört. Angeblich sollte Padre Bernardo Ähnlichkeit mit Ignatius haben.
Wir würden sehen.
Nach mehreren hundert Jahren tauchte ein alter Henker auf und mordete weiter.
Eigentlich nichts Besonderes, wenn ich es aus meiner Warte sah, das hatte ich schon des öfteren erlebt, ich war allerdings darauf gespannt, welches Motiv tatsächlich dahintersteckte.
War er nur einfach so auf schwarzmagische Art und Weise zurückgekehrt, um zu morden, oder steckte etwas anderes dahinter?
Hatte er sich vielleicht bewußt diesem Pater Bernardo gezeigt, denn der war mit dem Leben davongekommen, obwohl es dem Henker ein Leichtes gewesen sein mußte, auch ihn zu töten.
Das wollte mir nicht aus dem Kopf…
Ich hatte die erste Maschine bekommen und mir ausgerechnet, um die Mittagszeit am Zielort zu sein.
Die Abfahrt in Richtung Bergamo hatte ich schon passiert. Die nächste größere Stadt würde Brescia sein, doch so weit brauchte ich gar nicht. Vorher mußte ich ab, und zwar in Richtung Gardone und Brozzo.
Die Berge rückten näher. Rechts das flache Land, links die hohen Steinwälle. Das sah schon toll aus.
Ich achtete auf die Abfahrten.
»Gardone« erschien auf einem Schild. So wunderbar angezeigt, daß es nicht zu verfehlen war.
Im Schatten eines mit Gemüse beladenen Wagen rollte ich in die große Kurve hinein und folgte der Straße nach Gardone. Sie hielt den Vergleich mit einer Autobahn natürlich nicht stand, war auf den ersten Kilometern noch relativ breit und wurde dann, als die Berge enger zusammenrückten, schmaler.
Man hatte mir gesagt, daß ich das Kloster sehen würde. Es fiel allein wegen seiner weißen Mauern auf und mußte, von mir aus gesehen, an der rechten Seite liegen.
Deshalb hielt ich die Augen offen – und entdeckte es, als es hinter einer Kurve an der rechten Seite auftauchte, wobei es auf einem kleinen Plateau stand und zur Rückseite hin durch hohe Felsen vor nördlichen Winden geschützt wurde.
Auch hier lag kein Schnee. Die Straße glänzte im Licht der immer höher steigenden Sonne.
Weiße Klostermauern sollten es sein. Das stimmt auch, denn sie bildeten einen Kontrast gegen das Grau der Felsen, auf dessen Oberfläche hin und wieder eine grüne Busch-, Gras- oder Moosinsel wuchs. Ansonsten hielt sich die Vegetation ziemlich zurück. Die Almen lagen in den höheren Regionen, wobei mir die Ausblicke darauf häufig durch steinige Hindernisse verwehrt wurden.
Den schmalen Pfad hätte ich fast übersehen, weil er hinter dem Scheitelpunkt einer Kurve lag. Nicht mehr als eine Lücke im Gestein, in die der Lancia hineinschleuderte. Zum Glück war es nicht glatt, auch wenn irgendwo hoch über mir das Eis oder der Schnee in der Sonne schmolzen und das Wasser in schmalen Bächen und Rinnsalen talwärts rann.
Ich schaltete in einen kleineren Gang, als ich bergauf auf dieser kurvenreichen Strecke fuhr.
Der Lancia holperte über den unebenen Untergrund. Die harten Winterreifen gaben die Laute dumpf zurück. Das Kloster lag doch höher, als ich es von der Straße her vermutet hätte. Durch einige Kurven mußte der Wagen rollen, vorbei an rissigen Felswänden, in die ab und zu Nischen hineingeschlagen worden waren, wo kleine Altäre standen und Steinfiguren die Vorbeifahrenden grüßten.
Eine nicht allzu hohe Mauer rahmte das Klostergelände ein, das doch verhältnismäßig groß war und auf einem flachen, in die Landschaft hineinstoßenden Plateau seinen Platz gefunden hatte. Jenseits der Trennmauer sah ich einen winterlich kahlen Garten, dessen Obstbäume beschnitten und zum Schutz gegen die Kälte mit Plastiktüten verhängt waren.
Vor dem Eingang stellte ich den Wagen ab und stieg aus. Mein Blick glitt an dem großen, dunkelbraunen Portal in die Höhe. Ein Steinmetz hatte über dem Tor ein großes Kreuz in das Mauerwerk geschlagen.
Der Komplex des Klosters befand sich nicht nur auf einer Höhe.
Die verschiedenen Bauten standen zueinander versetzt. Am höchsten ragte der Turm einer kleinen Kapelle in den Himmel, so nahe an eine Felswand herangebaut,
Weitere Kostenlose Bücher