0575 - Vampir-Gespenster
sehen, weil es ein großer Hut mit breiter Krempe verdeckte. Die Krempe sorgte zudem für viel Schatten, so daß von seinem Gesicht kaum mehr als die untere Hälfte zu erkennen war, in der ein breiter Mund mit kantig wirkenden Lippen auffiel.
Auch der Mann trug dunkle Kleidung. Sie unterschied sich in der Farbe nicht von der der Frau auf dem Kutschbock und nicht von der seiner langen Koteletten, die man als unmodern bezeichnen konnte.
Ohne sich umzuschauen, schritt er auf das Café zu. Sein Mantel schwang wie eine Glocke über den Füßen, die Hände hatte der Mann in den Taschen des Mantels vergraben.
Zwei Frauen, die ebenfalls den Laden betreten wollten, hielten sich zurück.
Er drückte die Tür auf.
Von innen war er bereits gesehen worden. An der langen Verkaufstheke konnten sich die Kunden die Waren aussuchen, die auch zu den Tischen links gebracht wurden.
Dort saßen einige Gäste, die ihre Köpfe gedreht hatten, denn der Mann war jedem aufgefallen.
Die Besitzerin des Cafés wollte die Bedienung keiner Angestellten überlassen. Sie war als eine ziemlich forsche Person in Lauder stadtbekannt. Als sie den Fremden ansprach, zitterte ihre Stimme. »Was kann ich für Sie tun?«
»Ich habe eine Frage, die Sie mir beantworten können.« Er sprach sehr leise. Jedem wäre sofort seine blasse Haut aufgefallen…
»Und welche?«
Aus dem Hintergrund des Cafés tauchte eine hühnenhafte Gestalt.
Breit, groß, mit einem roten Vollbart und ebenfalls roten Haaren.
Die Hände erinnerten in ihrer Größe an Schaufeln. Auch ohne eine Uniform zu tragen, wäre dieser Mann allein von seinem Aussehen her respektiert worden. Da er sich im Dienst befand, trug Sergeant McDuff eine Uniform.
Er kam mit den Bewohnern hervorragend aus, besonders mit den Kindern, für deren Sorgen und Nöten der alte Junggeselle stets ein offenes Ohr hatte.
McDuff war eben in Lauder eine Institution!
Der Fremde hatte ihn nicht gesehen. Als er die Frage stellte, war McDuff bereits auf Hörweite herangekommen.
»Ich suche die Sinclairs, Madam.«
»Ja, die wohnen hier.«
»Direkt oder…«
»Nein, nein, in einem der Häuser am Nordhang.«
»Danke.«
Die Besitzerin gewann etwas von ihrer Courage zurück. »Wollen Sie nichts kaufen? Der Duft allein muß Sie doch locken.«
»Welcher Duft?«
»Sie sind vielleicht gut…«
»Haben Sie denn Blut?« fragte er leise. Dann lachte er, drehte sich nach rechts, so daß er den links hinter ihm stehenden McDuff nicht sah und ging.
McDuff trat an die Theke. »Hör mal, Cilly, habe ich da wirklich richtig gehört? Der fragte nach, Blut?«
»Ja.«
»Und nach den Sinclairs?«
»Auch.«
»Danke, Cilly.«
»Was willst du denn jetzt machen, McDuff?«
Der Sergeant gab keine Antwort. Mit schnellen Schritten verließ er das Café.
McDuff gehörte zu den Personen, die schon des öfteren in den Kreislauf des Grauens hineingeraten waren, der Lauder gefangenhielt. Er wußte, daß es Dinge gab, denen man nicht ausweichen konnte, wenn sie einmal aus dem Verborgenen hervortraten. Gerade zu den beiden Sinclairs verband ihn ein freundschaftliches Verhältnis und auch zu ihrem in London lebenden John, einem Oberinspektor bei Scotland Yard und Spezialist darin, was die Bekämpfung von Dämonen und anderen Wesen der Finsternis anging.
Der Sergeant verließ das Café. Bevor der Fremde seinen Planwagen noch erreichen konnte, holte er ihn ein. »He, Augenblick mal, Mister.«
Der Mann blieb stehen. »Ja…«
Da er keine Anstalten traf, sich umzudrehen, baute sich McDuff direkt vor ihm auf. Dabei mußte er feststellen, daß die beiden sich von der Größe her kaum etwas taten.
»Sie haben sich nach der Familie Sinclair erkundigt, nicht wahr?«
»Habe ich das wirklich?« Er sprach mit einem fremdklingenden Akzent in der Stimme.
»Ich hörte es.«
»Dann wird es wohl stimmen.«
»Was wollen Sie denn von Horace und Mary Sinclair?«
»Geht Sie das etwas an?«
»Eigentlich nicht, aber…«
»Dann fragen Sie auch nicht mehr weiter. Vielleicht soll ich Ihnen Grüße bestellen.«
»Ach so.«
Der Fremde kümmerte sich nicht um McDuff. Er ging an ihm vorbei und kletterte auf die Ladefläche.
Die Frau hatte sich auf dem Kutschbock so gedreht, daß sie parallel zum Wagen schauen konnte. Sie sah den knappen Wink, veränderte die Haltung und ließ die Peitsche knallen.
Die Tiere zogen an.
McDuff kam sich vor wie ein begossener Pudel. So wie dieser Kerl hatte ihn bisher kaum jemand abfahren lassen. Das kam schon einer
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