0575 - Vampir-Gespenster
Polizisten. Er schlief einer endgültigen Genesung entgegen.
Suko lag über mir. Ich hörte sein Räuspern.
»Was ist los?«
»Ich weiß nicht, John, aber mir will nicht in den Kopf, daß die Vampirplage tatsächlich vorbei sein soll. Ich habe eher das Gefühl, erst am Anfang zu stehen.«
»Wegen Mallmann, nicht?«
»So ist es.«
Ich ließ mir Zeit mit der Antwort. »Du wirst lachen, Alter, mir ergeht es nicht anders. Vielleicht war das, was wir erlebt haben, erst die Overtüre.«
»Was folgt danach?«
»Ein Drama, Suko, ein Drama…«
***
Lauder!
Eine kleine, malerische Stadt in den schottischen Bergen, nicht weit von der im Süden gelegenen englischen »Grenze«. Ein Ort, wo die Welt noch in Ordnung schien. Überschaubar, nett, hier kannte jeder jeden, in Lauder setzte man sich zur Ruhe.
Und für Ruhe sorgte die Polizei in Person eines gewissen Sergeant McDuff.
Aber die Ruhe war trügerisch geworden. Auch an Lauder waren das Grauen und die unheimlichen Vorfälle nicht spurlos vorübergegangen, denn oft genug hatten die Mächte der Finsternis ihre Klauen nach Lauder und dessen Bewohner ausgestreckt.
Das hatte seinen Grund, denn in diesem Ort lebte der pensionierte Rechtsanwalt Horace F. Sinclair. Er hatte sich in seine schottische Heimat zurückgezogen und lebte, zusammen mit seiner Frau, in einem alten Haus am Hang und über dem Ort.
Über den Bergen lag ein herrlicher, wenn auch blasser Winterhimmel. Mit Schnee hatten die Bewohner in diesem Winter kaum etwas zu tun gehabt. Ein paar Tage nur war die weiße Decke liegengeblieben, bevor die warmen Winde sie wegtaute.
Das Grauen kann plötzlich und unerwartet wie ein Donnerschlag zuschlagen. Es kann sich auch sehr langsam in einen Ort oder ein Gebiet einschleichen, und das war in diesem Falle so.
Das Gespann erreichte Lauder aus südlicher Richtung. Zwei Pferde zogen einen Planwagen hinter sich her. Auf dem Kutschbock saß eine Frau, von deren Gesicht nicht viel zu sehen war, weil ein Tuch den Kopf verhüllte und ein Schleier gleichzeitig über die untere Hälfte gespannt war, so daß eigentlich nur die großen, dunklen Augen hervorstachen.
Das Gefährt rumpelte gemächlich in den Ort. Die hintere Ladefläche stand offen. Man konnte in den Planwagen hineinschauen und auch einen Mann sehen, der zwischen einigen Körben hockte und die Beine ausgestreckt hatte.
Die Kinder entdeckten den Wagen zuerst. Schnell hatte es sich bei ihnen herumgesprochen, und es war klar, daß sie dem Gefährt folgten, das selbst in einer verhältnismäßig abgelegenen Gegend wie dieser hier ungewöhnlich war.
Als Gruppe liefen sie hinter dem Gespann her, lachten und winkten, trauten sich aber nicht, den Wagen zu erklettern.
Der rumpelte auf seinen vier Rädern der Ortsmitte entgegen. Auf dem Kopfsteinpflaster hatten die Pferde Mühe, die Balance zu halten. Glattes Kopfsteinpflaster paßte eben nicht zu Hufen.
Der Ortskern von Lauder lag zu ebener Erde, rechts und links jedoch führten die Straßen steiler in die Höhe. Gärten und Häuser säumten sie, zwischendurch auch ein freies Stück Wiese, das keiner unbedingt bebauen wollte.
Die in einen dicken Mantel oder einen Umhang eingehüllte Frau schaute weder nach rechts noch nach links. Sie nahm die neugierigen Blicke der Menschen nicht wahr oder wollte sie nicht sehen. Ihre Augen schauten geradeaus, als wollten sie irgend etwas am fernen Horizont erkunden.
Auf der rechten Seite, etwas versetzt und von rotem Pflaster umgeben, lag ein kleines Café. Es war ziemlich neu und als Wintergarten gebaut, so daß die Gäste das Gefühl hatten, im Freien zu sitzen.
Doch dicke Glasscheiben schützten vor Wind und Kälte.
Die Frau auf dem Kutschbock bewegte einen Zügel und lenkte die beiden geduldigen Pferde nach rechts. Ein Autofahrer mußte stoppen, um sie vorbeizulassen.
Am Rand der Straße und parallel zum Café hielt die Frau das Gespann an. Sie selbst blieb sitzen, beugte den Kopf nach vorn und schien auf ihre Knie zu schauen, die unter dem langen, blauschwarzen Umhang verschwunden waren.
Die Bewohner von Lauder unterschieden sich in nichts von denen anderer Städte oder Dörfer. Sie waren stehengeblieben, um den Wagen anzustarren. Nahe heran traute sich keiner. Es war so, als wäre er von einer unsichtbaren Grenze umgeben, an die sich jeder hielt.
Nicht die Frau verließ den Wagen, der Mann kletterte über den Band der Ladefläche.
Auch er war für einen Ort wie Lauder ungewöhnlich gekleidet.
Sein Haar konnte niemand
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