0575 - Vampir-Gespenster
Kopfverband.
»Ich habe genau zugehört und weiß, daß es sich um Vampire dreht. Wir müssen also davon ausgehen, daß sich Mary in der Hand von Blutsaugern befindet!«
»So ist es, Dad!«
Mehr sagte ich nicht. Das nachfolgende Schweigen sagte mehr als alle Worte. Ich zündete mir eine Zigarette an, mein Vater wischte sich über die Augen, auch mir war nach Heulen zumute.
Hilflos wie kleine Kinder fühlten wir uns. Die Feinde waren da, aber nicht zu sehen. Sie hielten sich zurück, im Verborgenen versteckt und würden einen Teufel tun, uns in die Arme oder vor die Mündung der Beretta zu laufen.
»Das alte Blut«, flüsterte ich. »Das alte Blut hat sein Erbe längst angetreten.«
»Was sagst du, John?«
»Nichts, Dad, das war nur für Insider bestimmt.«
Suko griff den Faden noch einmal auf. »Wir hätten es zerstören müssen, verdammt.«
»Und wie?«
»Keine Ahnung.«
McDuff räusperte sich. »Wichtig scheint mir auch der Anruf zu sein, den Cilly bekommen hat. Das war eine Drohung. Der hat versprochen, zurückzukehren und sich das Blut zu holen.« Seine Augen über dem Bart nahmen an Größe zu. »Aber welches Blut will er sich holen? Und vor allen Dingen, von wem?«
»Wenn er tatsächlich ein Vampir ist, dann von Menschen«, erwiderte ich. »Damit müssen Sie sich abfinden, McDuff.«
»Sind wir alle in Gefahr?« fragte er flüsternd.
»Bestimmt.«
»Und am meisten Ihre Mutter, nicht?«
Ich nickte. »Für mich steht fest, daß die beiden sie entführt haben, um sie als Druckmittel gegen mich einzusetzen. Ein anderes Motiv kann ich mir nicht vorstellen.«
Mein Vater hatte mitgehört und mischte sich ein. »Aber John, du kennst das Paar nicht. Was haben sie mit dir zu tun? Wieso fangen sie an und nehmen Mary als Geisel?«
»Ich kenne sie nicht, Dad, das stimmt. Aber sie werden nicht aus eigenem Antrieb handeln. Hinter ihnen muß meiner Ansicht nach jemand stehen, der sie leitet.«
»Wer?«
»Wenn ich dir das sage, Dad«, sprach ich mit sehr ernster Stimme, »fällst du vom Glauben ab.«
»Kann mich noch etwas erschüttern?«
»In diesem Falle schon.«
Er atmete tief durch. »Bitte, John, nimm keine Rücksicht auf mich! Sag es!«
»Okay, Dad, du hast es nicht anders gewollt. Derjenige, der im Hintergrund die Fäden zieht, ist Will Mallmann!«
Mein Vater starrte mich an. Plötzlich hielten wir wie auf Kommando den Atem an. »Doch nicht etwa der Will Mallmann. Kommissar Mallmann, meine ich.«
»Leider ja.«
»Junge, das ist…«
»Die volle Wahrheit, Dad. Will Mallmann ist durch einen grausamen, raffinierten Schachzug der Blutsauger selbst zu einem Vampir geworden. Daran gibt es keinen Zweifel.«
Horace F. Sinclair war perplex. Er wußte nicht, welchen Kommentar er dazu geben sollte. »Mein Gott«, flüsterte er nur und schüttelte den Kopf. »Das ist unfaßbar.«
»Leider eine Tatsache, mit der wir uns abfinden müssen, Dad.« Ich senkte meine Stimme. »Will und ich waren gute Freunde, nicht nur Kollegen. Das ist nun vorbei. Mallmann muß uns einfach ausschalten. Er weiß, daß wir ihn jagen. Zudem wird er immer versuchen, Schwachstellen zu finden und auch Helfer vorzuschicken.«
»Wie das Paar.«
»Richtig, Dad!«
Mein Vater nickte. »Schwachstellen«, wiederholte er, »ja, Schwachstellen. Eine der Schwachstellen sind wohl wir?«
»So ist es.«
»Mallmann kennt alle Tricks. Er war selbst Polizist; er kennt die Methoden, vielleicht läßt er noch seine Beziehungen spielen. John, die Nachricht sah verdammt echt aus. Deine Mutter und ich wunderten uns zwar, daß du uns in die einsame Gegend bestellt hast, aber wir sind von dir Kummer gewohnt.«
Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. »Kummer, Dad. Ich versuche doch immer, euch herauszuhalten. Deshalb komme ich auch so wenig zu euch. Mutter beschwert sich immer.«
»Sie ist eben anders. Sie hat sich schon früher beschwert, wenn ich zu wenig zu Hause war.« Er winkte ab. »Diesmal habe ich versagt, Junge. Ich hätte besser sein müssen.«
»Mit einem Angriff hätte auch ich nicht gerechnet, Dad. Das war Heimtücke und…«
Das Telefon läutete. Es war noch der alte schwarze Apparat, dessen Geräusch sogar tiefe Schläfer aufweckte. Dieses harte Schrillen schien ihn fast von der Platte des Schreibtisches zu hieven, und es ging uns allen durch und durch.
Es traute sich auch keiner, den Hörer zu schnappen. Wie hypnotisiert starrten wir den Apparat an, aber jeder von uns wußte, daß es eine schlimme Nachricht war.
Mein Vater
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