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058 - Das Monster

058 - Das Monster

Titel: 058 - Das Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John E. Muller
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lange Pause entstand, in der beide gedankenverloren auf das pulsierende Etwas im Inkubator starrten.
    „Was geschieht, wenn Sie nicht – mitspielen?“ fragte Roger. Er drückte sich so vorsichtig wie möglich aus.
    „Oh, zwei, drei Worte von Bolton am richtigen Ort, und ich werde deportiert“, antwortete Eve.
    „Ich verstehe.“
    „Dann erwartet mich entweder die Todesstrafe oder zwanzig Jahre Zuchthaus. Diese Zuchthäuser sind mit englischen Gefängnissen nicht zu vergleichen. Es ist ein Todesurteil, so oder so. Sie halten es sicher für Schwäche, daß ich ihm nachgebe.“
    „Ich würde niemanden für schwach halten, weil er Bolton nachgibt“, entgegnete Quentin. „Sehen Sie Durger an. Er führt sich auf wie ein getretener Hund. Ich habe Madame Latski noch nicht gesehen, wenn Bolton anwesend ist, aber Durger hat mir erzählt, sie frißt ihm aus der Hand.“
    „Das ist noch untertrieben“, bemerkte Eve.
    Wieder schwiegen sie eine ganze Weile.
    „Sie können nicht fortlaufen – an einen Ort, wo er Sie nie finden würde?“
    „Es geht nicht nur darum, Bolton zu entkommen“, antwortete das Mädchen. „Ich sagte Ihnen schon, dieses Haus macht mir Angst. Ich hasse es. Es ist das personifizierte Böse. Ich bin sicher, eines Tages wird die unersättliche Gier nach Leben und Macht wie ein Bumerang auf die Bewohner zurückfallen. Viele unschuldige Menschen werden dabei ihr Leben lassen müssen. Irgend etwas unvorstellbar Furchtbares wird geschehen, ich fühle es.“
    „Wieso? Können Sie in die Zukunft schauen?“
    „Vielleicht. Es ist nur ein Gefühl. Nennen Sie es weibliche Intuition, sechster Sinn.“
    Roger legte den Arm schützend um ihre Schultern.
    Sie zuckte zurück. „Bitte nicht! Es macht alles noch schlimmer. Wie könnte ich daran denken, jemanden zu lieben, solange ich an dieses Scheusal gekettet bin? Ich bin so hilflos, als hätte er mich in einem Harem eingeschlossen. Der Gedanke an Sie macht alles noch unerträglicher!“ Sie klammerte sich an seine Hand. Seine Finger glitten zärtlich durch ihr Haar.
    „Ich will es Ihnen doch nicht noch schwerer machen. Ich will Ihnen helfen, hier herauszufinden! Ich weiß, Studenten, Seeleute und Vertreter genießen einen Ruf, den sie vermutlich nicht verdienen.“ Er grinste. „Aber Sie verstehen schon, was ich damit sagen will. Ich bin erst seit ein paar Stunden hier, aber – o verflixt – ich stammele herum wie ein Primaner. Sehen Sie, Eve, Sie haben etwas an sich, was Sie von allen Frauen unterscheidet, die mir bisher begegnet sind. Ich habe nicht viel Erfahrung; in mancher Hinsicht bin ich, das muß ich zugeben, noch ein richtiges Kind. Aber es ist nun einmal so. Ich weiß nicht, wie ich es Ihnen sagen soll. Ich glaube, die altmodische Bezeichnung dafür ist ‚Liebe’. Heute nennt man es vermutlich psychoemotionale Anziehungskraft. Die Reaktion auf physisch wahrnehmbare Reize. Aber wie immer man es auch nennen mag, es kommt auf dasselbe heraus. Die Tatsache, daß Sie an Bolton gefesselt sind, spielt dabei keine Rolle.“
    „Spielt dabei keine Rolle?“ flüsterte das Mädchen ungläubig. „Ist das wirklich wahr?“ Eve Dante sah Roger Quentin mit großen Augen an.
    „Ja“, sagte er einfach. „Es ist wahr.“
    Eine plötzliche Bewegung im Inkubator fesselte ihre Aufmerksamkeit. „Was bedeutet das?“ fragte Quentin.
    „Der Reifeprozeß schreitet fort.“
    „Das geht über mein Begriffsvermögen. Wir wollen lieber Durger holen.“ Eve machte sich eilig auf die Suche nach dem Doktor.
    Roger starrte fasziniert auf den wachsenden Embryo im Inkubator. Einem Laien hätte dies nichts oder wenig bedeutet, aber für einen Biologen war die Beschleunigung von Reife und Wachstum dieser Kreatur schier unglaublich. Quentin hatte den Eindruck, den Embryo tatsächlich wachsen zu sehen. Es kam ihm vor wie ein Film im Zeitraffertempo. Noch einmal zwölf Stunden, und der gesamte Entwicklungsprozeß würde beendet sein. Das Ding würde den Inkubator nicht mehr brauchen. Der Gedanke erfüllte Roger mit einem plötzlichen unerklärlichen Entsetzen. Ein furchtbares Schuldgefühl überkam ihn. Was hatte er getan? Was hatte er da geschaffen, ohne es zu wollen? Einen Augenblick lang war er versucht, aufzuspringen und den Inkubator zu zerstören. Aber noch während dieser Gedanke sein Hirn durchraste, öffnete sich die Tür, und Eve trat ein, gefolgt von Dr. Durger. Durger rannte zum Inkubator.
    „Das ist ja unfaßbar!“ rief er. „Der Prozeß war schon

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