058 - Das Monster
Eisenleiter senkrecht nach unten. Clive stieg ein paar Sprossen hinab und schloß dann die Falltür hinter sich. Er war kein Schwächling, aber er mußte all seine Kraft aufwenden, um die schwere Tür zu heben und sie langsam und leise zu schließen. Zögernd setzte er seinen Abstieg fort. Dunkelheit und Schweigen umgaben ihn. Das Schweigen zerrte noch mehr an den Nerven, als die Laute vorher. Clive Walters fühlte sich wie der Held eines Horrorfilms, der im nächsten Augenblick von einem grauenhaften Monster verschlungen werden sollte. Ein- oder zweimal blieb er stehen und lauschte angestrengt in die Dunkelheit. Ein sonderbarer warmer, animalischer Geruch schlug ihm entgegen. Er schnüffelte. Es roch wie in einem Zoo. Der Geruch erinnerte ihn an den Behälter in dem Labor, nur war er jetzt viel intensiver, ausgeprägter, lebendiger. Die Luft war dick und schwer. Er hielt sich mit einer Hand an der Leiter fest und ließ mit der anderen den dünnen Strahl seiner Stablampe durch das gewaltige Kellergewölbe wandern.
Ein Geschöpf, über vier Meter groß, war an die Wand gekettet!
Der Keller war riesengroß. Er war offensichtlich Teil eines viel älteren Gebäudes, auf dessen Mauern das alte Herrenhaus errichtet worden war – einem alten gotischen Kloster etwa. In keinem normalen Keller hätte man eine solche Monstrosität gefangen halten können, wie die, auf die der Strahl von Clives Taschenlampe jetzt fiel. Clive schluckte schwer. Das Ding riß die Augen auf und starrte ihn an.
Auf den ersten Blick sah es aus wie ein Affe. Bei näherer Betrachtung entdeckte man jedoch Züge, die nicht unbedingt affenähnlich waren. Der Schädel war zu lang, die Stirn zu hoch, und die Kieferknochen fast menschlich. Eine kurze, fleischige Nase saß zwischen einem Paar intelligenter, aber gefährlich blickender Augen. Die Brauen waren knochig und hart, und die erschreckend menschliche Stirn furchte sich über der Nasenwurzel. Der Mund hätte einen Zeichner von Horror-Comics in helles Entzücken versetzt, ein grauenerregender Schlund, in dem ein bestialisches Raubtiergebiß blitzte. Die Zunge: eine dicke, rote Masse hungrigen Fleisches. Die Backenknochen: hervorstehend und mächtig. Es war ein primitives Gesicht, und wirkte doch – wegen seiner furchterregend menschlichen Züge – noch weit entsetzlicher, als wenn es absolut fremdartig oder vollkommen tierisch gewesen wäre. Die Schultern waren mächtige Muskelknoten und die Pranken klauenartig und unglaublich kräftig, obwohl auch sie eine gewisse, atemberaubende Ähnlichkeit mit menschlichen Händen aufwiesen.
Es war alles in allem eine Kreatur, bei deren Klassifizierung ein Anthropologe zwischen einer ausgesprochen primitiven humanoiden Spezies und einer außerordentlich hoch entwickelten Affenart geschwankt hätte. Die Ketten, mit denen die Bestie an die Wand gefesselt war, waren sehr dick und schienen aus Chromstahl zu sein. Zumindest hoffte Walters, daß sie das wären, und er hoffte auch, daß Chromstahl einer solchen Beanspruchung standhielt!
Das Monster schien sich von dem Lichtstrahl belästigt zu fühlen, denn es knurrte wütend. Der Keller erbebte, und Walters hielt sich die schmerzenden Ohren zu. Die Kreatur versuchte, sich loszureißen. Sie wand sich und warf ihren schweren
Körper gegen die Ketten. Die Wand, an der die Ketten befestigt waren, wies bereits zahlreiche Risse an der Oberfläche auf. Wie lange würde sie noch standhalten? Clive Walters jedenfalls hatte den Eindruck, daß dieser Keller nicht gerade der sicherste Aufenthaltsort für ihn war! Der Strahl seiner kleinen Lampe reichte nicht sehr weit, aber der Keller schien sich noch ein ganzes Stück hinzuziehen. Gab es eventuell noch einen anderen Ausgang? Es war durchaus denkbar, daß der Keller seinerzeit als Fluchtweg ausgebaut worden war. Clive Walters überlegte, inwieweit diese Möglichkeit ihr Problem berührte. Der Gedanke, daß die Bestie auf diese Weise entkommen könnte, ließ ihm das Blut in den Adern gerinnen. Er war wahrhaftig kein Feigling, aber er kannte den Unterschied zwischen dem kalkulierbaren Risiko und der selbstmörderischen Tollkühnheit eines Abenteurers. Der große Affe jagte ihm Angst ein, und es war kaum anzunehmen, daß irgend jemand anders reagieren würde. Das Monster röhrte und riß erneut an seinen Ketten. Die Mauer hinter ihm knackte verdächtig. Clive Walters begann, die Leiter wieder hinaufzusteigen, als er plötzlich von oben Schritte hörte. Sie verhielten über der
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