059 - Der Preller
Julius.
»Was willst du eigentlich?« unterbrach ihn der Ältere.
»Ich weiß, daß uns der Verlust zwar hart trifft, daß wir ihn aber gleichwohl überleben werden. Die Hauptsache ist ja der Ruf unserer Firma, nicht wahr, Vater?« Der Senior nickte.
»Gut, jage einen Brief an alle Kunden hinaus und teile ihnen mit, daß wir ihnen die Aktien als Ersatzanteil für die Verluste bei den Waggerfontein-Aktien umsonst liefern. Schreibe ihnen, daß du das Beste von den Ersatzpapieren erhoffst. Dadurch wird die Firma als nobel verschrien, und kein Mensch wird sich beschweren können, daß wir ihn beschwindeln wollten.«
»Die Idee ist gut«, lobte der stolze Vater. »Glänzend ist sie! Hol das Personal, und dann: ran an die Arbeit!«
Bei der Firma Mottenstein, Makler, wurde diese Nacht durchgearbeitet. Es wurde vier Uhr morgens, ehe die letzten Gratisaktien an die freudig überraschte Kundschaft hinausgingen.
Am gleichen Tag erhielt der Preller von dem Schachzug seines Gegners Kenntnis. Er lachte.
»Der alte Schwindler war doch ein wenig zu schlau für mich«, erkannte er die Fähigkeiten des alten Mottenstein an. »Sein Herz wird gebrochen sein, daß er diese zweihunderttausend Aktien umsonst hergeben mußte, auch wenn sie in Wirklichkeit nicht einmal den Papierwert hatten. Aber alle Achtung! Den Ruf seiner Schwindelfirma rettet er damit. Ich möchte wissen, in welchen seligen Träumen die Empfänger der Aktien schweben!«
»Sie können gar nicht hoch genug sein, diese Träume«, warf Paul ein. »Hast du die Morgenzeitungen gelesen?« »Was steht denn drin?« fragte Anthony rasch.
Paul erhob sich und reichte ihm eine Zeitung, deren schreiende Schlagzeilen Anthony schnell genug Auskunft darüber gaben, was Paul gemeint hatte.
Überraschung in Australien! Hochwertige Goldader in verlassener Bleigrube entdeckt. Wertlose Aktien: Heutiger Kurs drei Pfund pro Aktie.
Der Bericht kam aus Australien und lautete kurz und inhaltsschwer wie folgt:
›Einige zufällig auf den Gruben der Blei- und Schiefer-A.G. Australien schürfende Goldsucher sind auf reichhaltige Lager des wertvollen Metalls gestoßen. Dadurch sind die Anteile der Gesellschaft, gestern kaum das Papier, auf dem sie gedruckt waren, wert, zum heutigen Kurs von drei Pfund pro Aktie außerordentlich gefragt.‹
Anthony pfiff vor sich hin.
»Na, ich kann mich wenigstens trösten, daß ich meinen Anteil bekommen habe«, meinte er.
»Und ich den meinen auch«, stimmte Paul zu. Weder er noch Sandy wurden jemals vergessen, wenn der Chef seinen ›Fischzug‹ gemacht hatte.
»Heute abend wird bei den Kunden Mottensteins eitel Freude herrschen, Anthony. Nur Mottenstein selbst dürfte Kopfschmerzen haben.« Paul lachte und setzte sich wieder zur Patience nieder, die er bei der Lektüre der überraschenden Nachricht widerwillig unterbrochen hatte.
Der fingierte Bankraub
Ziellos spazierte der Preller, ein Paket Bücher unter dem Arm, die Philosophenbrille vor den Augen, den ›Strand‹ entlang. Er sah aus wie ein Student, dessen Stipendien weder hinten noch vorn langen. Vor beinahe jedem Schaufenster blieb er stehen, bis er plötzlich mit einem Mädchen zusammenrannte, das aus einem Geschäftsbau herausgekommen war. Er versuchte sich zu entschuldigen, aber die junge Dame schien das kleine Unglück gar nicht bemerkt zu haben, denn ohne dem Ungeschickten auch nur einen Blick zu schenken, eilte sie weiter. Der kurze Zusammenstoß hatte jedoch Anthony ihr schneeweißes Gesicht und ihre vom Weinen geröteten Augen zu deutlich gezeigt, um nicht sofort seine ganze Aufmerksamkeit zu erregen. Halb unbewußt warf er einen Blick auf das Schild vor dem Tor, aus dem das Mädchen gekommen war. Unter der Firmentafel eines Zigarrenladens befand sich noch ein zweites Messingschild, das als weiteren Bewohner einen Mr. Oliver Digle, Finanzberater, anzeigte.
Der Name war dem Preller nicht ganz unbekannt, denn er hatte ihn in Verbindung mit anrüchigen Prozessen schon häufig nennen gehört. Der Mann war, wie Anthony wußte, ein Wucherer allerschlimmster Sorte. Die Angelegenheit, die das junge Mädchen eben bei Digle erledigt zu haben schien, erregte deshalb Anthonys höchstes Interesse. Er folgte ihr, seine Schritte beschleunigend, um sie wieder einzuholen. Erst glaubte er, sie befinde sich auf dem Weg zur Charing-Cross-Station, wurde aber bald eines Besseren belehrt, denn die junge Dame eilte durch die Villiers Street dem Embankment Park zu. Augenscheinlich befand sie sich auf der
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