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059 - Der Preller

059 - Der Preller

Titel: 059 - Der Preller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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verließ er das Büro.
    Am Embankment wurde der Einbrecher von einem Auto erwartet und befand sich eine Viertelstunde später mit seinem Sekretär auf dem Weg nach Brighton. In East Grinstead hielten sie zum Frühstück. Hier erst erstattete Anthony seinem Freund Paul Bericht.
    »Die Sache ist mir nun ganz klar«, meinte er. »Der alte Digle kann eben nie genug kriegen. Nicht allein, daß er die Jeunesse dorée‹ schröpft, nein, er versucht auch die Hinterbliebenen gefallener Offiziere zu betrügen. Die Schuldtitel, die er ihnen vorlegt, sind wohl in ihrer überwiegenden Mehrzahl Fälschungen. Die Unterschriftsproben hat er sich durch Bitten um Autogramme zu verschaffen gesucht. Das Gerücht, daß er große Wettverluste erlitten habe, ist eine Ente. Ich habe seine Bücher geprüft: Er hat ein Bankguthaben von über achtzigtausend Pfund in bar.«
    »Jedenfalls hat er nicht übel kalkuliert«, warf Paul ein.
    »Er wußte, daß es den meisten Leuten weniger aufs Geld als auf den Ruf der teuren Toten ankommt und daß deshalb ohne weiteres bezahlt werden würde. Das ist der gemeinste Trick, der mir je in meinem Leben vorgekommen ist.«
    Anthony nickte zustimmend.
    »Es wäre also eine Arbeit nach deinem Geschmack, diesem Mann eine Lehre zu geben?«
    »Verdammt noch einmal, ich wäre mit Leib und Seele dabei«, gab Paul zu. »Wie willst du es denn drehen?«
    »Ich weiß ja, daß Digle nicht der einzige ist, der sich derartiger Tricks bedient«, fuhr Anthony fort. »Ich habe schon verschiedentlich von anderen Gleiches berichten gehört. Vor allen Dingen will ich aber einmal die Gewohnheiten unseres Freundes Digle studieren. Dann wird sich wohl ein Weg ergeben, ihn zu schröpfen.«
    Der also Bedrohte war ein Mann, dessen ganzes Leben nach einem gewissen Schema verlief und außerordentlich methodisch war. Er war, was sparsame Lebenshaltung anbetraf, ein Genie und rühmte sich des öfteren, daß er sich mit einem halben Penny mehr Vergnügen verschaffen könne als ein anderer mit einem Schilling. Von Gestalt war er dick und untersetzt, sein Gesicht war stark gerötet. Als Kleidung hatte er die Tracht eines Kirchenältesten gewählt, was ihm einen gewissen Schimmer von Respektabilität und der Frömmigkeit verlieh. Was seine persönlichen Charaktereigenschaften anbetraf, so hielt man ihn in seiner näheren Umgebung für einen sympathischen und sogar wohltätigen Menschen. Sein Entgegenkommen den Bedürftigen gegenüber drückte sich jedoch mehr durch Rat als durch die Tat aus. Er gab ohne felsenfeste Sicherheit nicht einen Penny aus der Hand. An Leidenschaften besaß er zwei: die Gier, Geld zu verdienen, und die Furcht, es wieder zu verlieren. Gewiß, er hatte Geld bei Pferderennen verloren, aber hatte nicht jeder große Mann seine Leidenschaft?
    Er war außerordentlich diskret und verschwiegen, und so war es kein Wunder, daß er sich auch eine außerordentlich diskrete und verschwiegene Bank ausgesucht hatte, um dort sein Vermögen zu deponieren. Es war die Pollacks Privat-Bank, der er sein Vertrauen geschenkt hatte, und sie bestand schon seit mehr als einem Jahrhundert. Über Mr. Digle selbst waren einige anrüchige Erzählungen im Umlauf, die sogar zu polizeilichen Erörterungen geführt hatten, aber erhaben über alles, was man von ihm sprach, verfolgte der Geldverleiher seinen Weg weiter. Eines Tages saß er, vor sich die neueste Zeitung, in seinem Büro, als seine Sekretärin - eine ältere Dame - einen Besucher meldete.
    »Ein junger Mann wünscht Sie zu sprechen, Mr. Digle.«
    »Wie sieht er denn aus?« fragte der Wucherer vorsichtshalber.
    »Ich glaube, daß er ein Kunde ist. Er ist ganz aufgeregt.«
    Nachdenklich kratzte sich Digle am Kinn. »Lassen Sie ihn hereinkommen«, entschied er.
    Die Sekretärin hatte recht berichtet. Der Besucher war unstreitig sehr aufgeregt. Es war genau vierzehn Uhr zwanzig Minuten, eine Zeit, die man genau in Erinnerung behalten muß, da sie für den Verlauf dieser Geschichte wichtig ist.
    »Nun«, begrüßte Digle leutselig den jungen Mann. »Womit kann ich Ihnen dienen?«
    Der Besucher warf einen Blick auf die noch immer wartende Sekretärin. Ein Wink Digles, und sie zog sich zurück.
    »Ich hätte Ihnen etwas ganz Persönliches mitzuteilen«, eröffnete der nun etwas beruhigte junge Mann das Gespräch.
    »Setzen Sie sich«, lud ihn der gütige Hausherr ein. »Ziehen Sie sich einen Stuhl hier heran und packen Sie aus. Wollen Sie eine Zigarette rauchen?«
    Der andere wollte. Mit

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