06 - Der Schattenkrieg
kann Ihnen sagen, daß es um eine verdeckte Aufklärungsarbeit geht. Nach Nicaragua kommen Sie aber nicht. Wir erwarten nicht von Ihnen, daß Sie in einem geheimen Krieg kämpfen.«
Genau genommen war diese Erklärung keine Lüge. »Smith« wußte selbst nicht genau, worum es bei der Mission ging, und zu Spekulationen hatte ihn niemand ermuntert.
»Wie auch immer, mehr kann ich nicht sagen. Was wir bisher besprochen haben, bleibt unter uns ohne meine Genehmigung dürfen Sie mit niemandem darüber sprechen. Ist das klar?« sagte der Colonel mit Nachdruck.
»Verstanden, Sir!«
»Sergeant, wir haben viel Zeit und Geld in Sie investiert. Die Zeit der Rückzahlung ist gekommen. Das Land braucht Sie und Ihre Fähigkeiten.«
Angesichts dessen blieb Chavez kaum eine Wahl. Auch »Smith« wußte das.
»Wann geht’s los, Sir?« antwortete der junge Mann nach fünf Sekunden Bedenkzeit. Nun wurde der Oberst ganz sachlich. Er nahm einen großen braunen Umschlag aus der Schreibtischschublade, auf den jemand mit Filzstift CHAVEZ geschrieben hatte. »Sergeant, ich habe mir erlaubt, einiges für Sie zu erledigen. Hier sind Ihre medizinischen Unterlagen und alle Dokumente, die Ihre persönlichen Finanzen angehen. Die mit Ihrer Versetzung verbundenen Formalitäten habe ich fast alle schon erledigen lassen. Zudem habe ich eine Vollmacht aufgesetzt, damit Sie sich Ihre Privatsachen nachschicken lassen können wohin, steht auf dem Formular.« Chavez nickte verdutzt. Wer immer dieser Colonel Smith auch sein mochte, er mußte allerhand Beziehungen haben, um den Papierkram so schnell durch die legendäre Army-Bürokratie schleusen zu können. Normalerweise bedeutete eine Versetzung, daß man fünf Tage lang herumsaß und wartete. Er nahm den Umschlag entgegen.
»Packen Sie Ihre Sachen und melden Sie sich um achtzehn Uhr zurück. Die Haare brauchen Sie sich nicht schneiden zu lassen; die sollen eine Zeitlang sprießen. Den Verein unten sortiere ich aus. Und vergessen Sie nicht: mit niemandem darüber reden. Wenn jemand Sie fragt, sagen Sie, es ginge halt früher als erwartet nach Fort Benning. Das ist Ihre Version, und ich erwarte, daß Sie sich an sie halten.« Der Colonel erhob sich, streckte die Hand aus und ließ wieder eine mit einem Quentchen Wahrheit versetzte Lüge los: »Sie haben die richtige Entscheidung getroffen. Ich wußte, daß wir mit Ihnen rechnen können, Chavez.«
»Die Nacht ist unser, Sir!«
»Abtreten.«
»Colonel Smith« legte die Personalakte zurück in seine Aktentasche. Und das war’s. Die meisten Männer waren schon auf dem Weg nach Colorado. Chavez war einer der letzten. »Smith« fragte sich, wie das Ganze ausgehen würde. In Wirklichkeit hieß er Edgar Jeffries und war ein ehemaliger ArmyOffizier, der nun für die CIA arbeitete. Insgeheim hoffte er, daß die Aktion klappen würde, aber er war schon zu lange bei der CIA, um noch großen Optimismus zu empfinden. Männer für solche Aufgaben rekrutierte er nicht zum ersten Mal. Nicht alle Operationen waren glatt gegangen, und noch weniger nach Plan verlaufen. Andererseits hatten sich Chavez und alle anderen freiwillig zum Militär gemeldet, freiwillig weiterverpflichtet und auch freiwillig seine Einladung, etwas Neues und ganz anderes zu tun, angenommen. Das Leben war gefährlich, und diese vierzig Männer hatten sich in voller Kenntnis der Lage für einen der gefährlichsten Berufe entschieden. Das war ihm ein Trost, und da Edgar Jeffries noch über ein Gewissen verfügte, brauchte er ihn auch.
»Viel Glück, Sergeant«, sagte er leise zu sich selbst.
Chavez hatte an diesem Tag viel zu tun. Nachdem er Zivilkleidung angelegt hatte, wusch er seinen Kampfanzug und reinigte seine Ausrüstung. Dann sortierte er alles aus, was zurückblieb. Auch diese Gegenstände mußten gesäubert und, wie Sergeant Mitchell erwartete, in besserem Zustand als beim Empfang zurückgegeben werden. Als der Rest des Zuges um dreizehn Uhr von Hunter-Liggett eintraf, steckte er mitten in der Arbeit. Den zurückkehrenden Unteroffizieren fiel die Aktivität auf, und bald erschien der Zugführer.
»Warum packst du, Ding?« fragte Mitchell. »Ich werde früher in Benning gebraucht… deswegen wurde ich heute morgen zurückgeflogen.«
»Weiß der Lieutenant Bescheid?«
»Man hat ihn doch bestimmt verständigt - oder wenigstens die Schreibstube?« Chavez war ein wenig verlegen. Er log Mitchell, der seit vier Jahren sein Freund und Lehrer gewesen war, nur ungern an. Sein Befehl aber kam von einem
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