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060 - Der Henker von London

060 - Der Henker von London

Titel: 060 - Der Henker von London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter T. Lawrence
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aufzupassen, dann war ich wieder allein. Inzwischen ging es mir etwas besser. Am frühen Abend hatte Dr. Tracy noch mal bei mir vorbeigesehen. Die zweite Spritze, die er mir verpaßte, weckte wieder ein paar Lebensgeister in mir. Auch die ziehenden Gelenkschmerzen ließen nach, wenn auch nicht vollständig.
    Um zwanzig Uhr hatte Dan Reed mich angerufen. Inspektor Morris vertrat mich jetzt und er, Dan, hatte die Leitung der inzwischen vergrößerten Sonderabteilung übernommen. Vierzehn Leute arbeiteten jetzt nur an diesem einen Fall. Sie sollten den Henker von London fassen. So schnell wie irgend möglich.
    „Der einzige Vorteil sind die Geständnisse“, sagte Dan am Telefon. „Abends müssen sämtliche Vernehmungsbeamten Überstunden machen, denn dann kommen die meisten. Tagsüber ist es ruhiger, aber ab sieben geht’s los, bis spät in die Nacht hinein. Einige verlangen einfach Polizeischutz, ohne ein Geständnis abzulegen. Die schicken wir wieder nach Hause. Ein paar Stunden später kommen sie alle wieder.“
    „Glaubt ihr, daß ihr ihn kriegt?“
    „Natürlich“, sagte Dan. „Alles nur eine Frage der Zeit. Früher oder später muß er uns ja mal in die Falle gehen. Nachts ist jetzt jeder verfügbare Mann auf den Beinen. Wir haben Flammenwerfer, und die Leute sind mit Gasflaschen ausgerüstet, durch die das Ungeheuer betäubt werden soll. Der Kerl muß ja schließlich atmen. Und auch wenn er eine stahlharte, gläserne Haut hat, so muß diesem Monstrum doch irgendwie beizukommen sein. Was macht übrigens deine Krankheit?“
    „Ihr geht es schlecht.“ Ich lächelte. „Der Doc hat mir ein paar Spritzen verpaßt. Jetzt kann ich mich schon wieder einigermaßen bewegen.“
    „Na, ist ja fein, John.“ Dans Stimme klang ehrlich erleichtert. „Sobald ich auch nur ein halbes Stündchen Zeit habe, komme ich mal ’rausgefahren zu dir. Ich bring’ dir dann eine Riesentüte Apfelsinen mit, lauter Vitamine.“
    „Du lieber Himmel“, rief ich. Dann fiel mir noch etwas ein. „Sag mal, Dan, könnte Potter vielleicht bei mir ’reinschauen? Ich kann dir jetzt nicht sagen, warum, aber ich glaube, es ist wichtig.“
    „Hat es etwas mit dem Glasungeheuer zu tun?“
    Ich nickte, obwohl er es nicht sehen konnte.
    „Ja. Es könnte eine Spur sein. Wirst du es ihm sagen?“
    „Okay. Ich schick’ ihn vorbei. Alles Gute, John.“
    Wir legten auf. Das Mädchen brachte mir einen Brei, den Claudia für mich zubereitet hatte. Ich bedankte mich mit einem Kopfnicken bei ihr. Später, als sie den Teller wieder entgegennahm, hielt ich ihre Hand fest und drückte sie leicht.
    „Ich danke Ihnen für alles“, sagte ich. „Würden Sie mir noch einen weiteren großen Gefallen erweisen?“
    Sie lächelte. „Natürlich, Mr. Condell.“
    „Dann begleiten Sie Mrs. Haley nachher in ihre Wohnung, und bleiben Sie die Nacht über bei ihr.“ Ich sah das Mädchen ernst an. „es wäre mir sehr wichtig.“
    „Gut“, sagte sie. „Es geht schon in Ordnung. Aber jetzt müssen Sie versuchen zu schlafen.“
    Um neun gingen sie.
     

     

Der eigenartige Traumzustand senkte sich über mich. Nach einer Weile folgten wieder die Schmerzen. Das Ziehen in den Gelenken, der bohrende Muskelschmerz, das Pochen hinter den Schläfen. Es kam pünktlich. Vorprogrammiert wie bei einer Maschine.
    Aber zwischendurch hatte ich lichte Augenblicke. Ich glaube, die Spritzen, die ich bekommen hatte, waren schuld daran. Jedenfalls wurden all die Erinnerungen, die in den Tagen und Nächten zuvor nur schemenhaft und in Teilstücken existierten, deutlicher, klarer.
    Doch diese Augenblicke waren nur kurz, weil mich immer wieder der Schmerz ablenkte. Einmal sah ich wieder das Gesicht, das mir so eigenartig bekannt vorkam und von dem ich nicht wußte, wo ich es schon einmal gesehen hatte. Schwach nur erinnerte ich mich daran, daß dieses Gesicht auch einen Körper hatte; ein hauchdünnes Gewebe, durchsichtig wie ein Netz; einen Körper, der am Entstehen war; der verletzlich wie eine sensible Seele war.
    Dann kam die Gegenwart. Ziehend kam sie, stechend und mit gemeinen Schmerzen im Rücken. Danach die bodenlose Tiefe der Dunkelheit. Der Fleck, der ein Gesicht wurde, die Stimme, diese schreckliche sanfte, einlullende Stimme.
    „Nun, John? Es ist gut, daß du wieder bei Kräften bist. Du weißt, ich brauche deinen Haß, deine Kraft, deine Wärme, damit ich mich materialisieren kann. Du willst mir doch dabei helfen, nicht wahr?“
    Die Dunkelheit zerriß, das Bild

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