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060 - Der Henker von London

060 - Der Henker von London

Titel: 060 - Der Henker von London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter T. Lawrence
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Dans Antwort warf mich fast von den Beinen: „Eben nicht. Das Blut ist weg.“
    „Du meinst …“ Ich spürte förmlich, wie ich erbleichte.
    „Ja“, sagte Dan mit bitter klingender Stimme. „Jemand hat Hetty Freeman angezapft.“
    „Wie furchtbar! Weiß man schon, wen sie ermordet hat?“
    „Nein. Vor ein paar Jahren starb eines ihrer Kinder auf seltsame Art und Weise. Es hat eine Salzsäureflasche mit einer Limonadenflasche verwechselt.“
    „Und du meinst, sie hat den Jungen getötet?“
    „Vermutlich, aber woher weißt du, daß es ein Junge war? Ich sprach eben von einem Kind, John.“
    Ich stand da, wie vom Donner gerührt. Ja, woher wußte ich das? Nie zuvor hatte ich von Hetty Freeman etwas gehört oder gelesen. Bis vor wenigen Minuten war mir nicht einmal ihr Name bekannt gewesen.
    „Hat Ascorda dir wieder ein Lied gesungen, was?“ Dan Reed lachte. „Der Junge hat seine Finger verdammt schnell in den Archivkästen.“
    „Ja“, sagte ich, dankbar nach diesem Strohhalm greifend. „Wir haben miteinander telefoniert. Sag mal, diese Frau – ist sie heute gestorben oder heute gefunden worden? Es könnte doch sein, daß sie schon länger tot ist.“
    „Nein, heute nacht muß es passiert sein. Der Doc meint, zwischen drei und vier Uhr morgens.“
    „Aber warum die Sache mit dem Blut?“ fragte ich und überlegte fieberhaft, wieso ich wußte, daß Hetty Freeman einen Jungen getötet hatte. Dan schnaubte angeekelt durch die Nase, dann sagte er:
    „Dr. Hall sagt, die Bestie habe das Blut getrunken. Darum haben wir auch keine Spuren gefunden.“
    „Nein!“ stieß ich hervor. „Das kann nicht sein! Warum sollte sie denn auch das Blut getrunken haben?“
    „Um neue Kraft zu sammeln“, antwortete Dan. „Dr. Hall meint, daß sich das Monstrum vielleicht verausgabt hat. Jetzt mußte es wieder auftanken …“
    Der Hörer entglitt meinen Fingern, krachte auf die Gabel. Ein ekelerregender Schwindel ergriff mich.
    „John!“ rief Claudia erschrocken. „Um Himmels willen, was ist?“
    Ich stürzte an ihr vorbei ins Bad, um mich zu übergeben.
     

     
    „John, wir müssen jetzt vernünftig sein.“ Es klang beschwörend, wie Claudia das sagte. „Wir müssen zusammenhalten, nur das kann uns helfen, einmal all diese schrecklichen Dinge zu vergessen. Sag mir, was geschehen ist.“
    Wir saßen im Wohnzimmer. Ich, ein zitterndes Bündel Mensch, das sich vor sich selbst ekelte. Claudia, eine besorgte und schöne Frau, die ich liebte wie nie jemand zuvor. Ich starrte auf die Bücherrücken im Schrank. Diese Bücher bedeuteten mir nichts mehr. Ich hatte sie geliebt. Stundenlang, ganze Nächte in ihnen herumgestöbert. Ich war aufgegangen, aufgeblüht in ihnen, wenn mir der Geruch von jahrhundertealtem Staub beim Umblättern in der Nase kitzelte. Wie jeder leidenschaftliche Sammler alter Bücher hätte ich mich nie von ihnen getrennt. Doch nun waren sie nichts.
    Alles war Nichts. Das einst so gemütliche Zimmer war für mich ein karger Raum mit Möbeln, auf denen man sitzen konnte; mit einem Tisch, auf dem man Gläser abstellte; einem Loch, in dem ein albernes Feuer Holzscheite auffraß.
    Ja, ich fühlte mich erholt, frisch. Was sagte Dr. Hall? Das Monstrum hatte sich verausgabt, jetzt hat es wieder aufgetankt, indem es literweise Blut trank. Ich war nun an einem Punkt angelangt, wo ich nicht mehr an Zufälle glaubte. Die Stimme, das Vergessen, die gräßlichen Schmerzen morgens nach dem Erwachen. Dann die Qualen, wenn ich mich vor dem Einschlafen in Gedanken verlor. Einschlafen? Hatte ich überhaupt in den letzten Nächten geschlafen?
    Die Haut des Monstrums ist hart wie Glas und enthält auch eine gläserne Substanz, hatte Dr. Hall gesagt. Rühren daher meine Schmerzen? War ich dieses Monstrum? Ich, John Condell, Inspektor bei Scotland Yard?
    „John, oh John“, flüsterte Claudia nah an meinem Ohr. „Wir lieben uns doch, müssen uns gegenseitig helfen und vertrauen.“
    „Ich kann dir nicht sagen, was geschehen ist. Auch nicht, wenn ich es wollte. Bitte, versuche mich zu verstehen, Claudia. Auch ich liebe dich. Ich liebe dich so wie nie jemanden zuvor. Frag mich bitte nicht mehr. Wenn die Zeit dafür da ist, werde ich dir nichts mehr verschweigen.“
    Claudia sah mich lange und nachdenklich an.
    „Schwörst du mir das?“ fragte sie dann leise.
    Ein Schwur! Was, zum Teufel, ist ein Schwur, wenn man nicht weiß, ob man ein Ungeheuer ist oder nicht! Diese Stimme, diese verdammte Stimme! Wenn ich

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