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060 - Der Henker von London

060 - Der Henker von London

Titel: 060 - Der Henker von London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter T. Lawrence
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seine Stimme gehört. War das Bild des rötlichen Steinblocks der Teil einer Erinnerung? Wenn ja, dann mußte er existieren, dann hatte ich ihn gesehen, und irgendwie hatte sich das flüchtige Bild in mein wahres Ich gestohlen.
    Zwei Ichs, dachte ich. Zweimal John Condell. Einmal der Inspektor. Dann ein Monstrum, das nachts die Stadt unsicher macht. Aber wo blieb das eine Ich, während das andere durch die Straßen stapfte, nach Rache lechzte, nach Blut? War nur der Geist, die Persönlichkeit gespalten oder die ganze Person? Der Körper?
    Tausend Gedanken jagten durch meinen Kopf, aber ich kam zu keinem vernünftigen Schluß. Ich wußte nur, daß ich dem gläsernen Monstrum und seinem Gebieter näher war als je ein anderer Mensch zuvor. Ich stand dicht vor der Lösung. Instinktiv spürte ich, das es eine grauenhafte Lösung war; etwas, das mich an den Rand des Wahnsinns treiben würde. Aber es lag jetzt nur an mir, dem Morden ein Ende zu machen. Nur an mir allein …
    Claudia trug das Essen auf. Sie hatte recht, wir mußten essen, weil wir unsere Kräfte brauchten. Es schmeckte ausgezeichnet, was sie da mit soviel Liebe und Sorgfalt zubereitet hatte, aber ich konnte die Bissen nur hinunterwürgen. Und ich sah ihr an, daß es ihr nicht anders ging.
    „Wir werden es schaffen, Claudia.“ Ich legte meine Hand auf die ihre, lächelte sie an. „Irgendwann wird dieser gräßliche Spuk vorbei sein, und wir werden Zeit für uns haben.“
    Sie senkte den Blick. Eine Träne rollte zwischen den Wimpern hervor, perlte über ihre Wange und zerfiel auf meiner Hand.
    ..Bestimmt wird es gut werden, Claudia. Morgen, wenn es mir bessergeht, werde ich Dan anrufen und ihm alles berichten, was wir wissen. Wir werden das Haus auf den Kopf stellen und es, wenn es sein muß, bis zu den Grundmauern abreißen. Arwanus soll sich nicht mehr wohl fühlen in seinem alten Gemäuer.“
    „Bitte, komm heute mit zu mir hinüber. Jetzt, wo ich weiß, daß der Geist dieses Monstrums vielleicht in diesen Räumen lebt, fürchte ich mich noch mehr vor der Nacht. Ich glaube, daß wir bei mir sicherer sind, John.“
    Ich zog meine Hand zurück. Sie glänzte von der Tränenspur.
    „Er ist überall“, sagte ich rauh. „Auf diese Art werden wir ihm nicht entkommen.“
     

     

All meine Überredungskunst hatte ich aufbringen müssen, damit Claudia das Haus verließ, bevor die Dunkelheit hereinbrach. Ich hatte noch zweimal mit Dan Reed gesprochen, ihm aber noch nichts von meiner Entdeckung und meinen Ahnungen gesagt. Sergeant Potter war verschwunden. Inzwischen fahndete man nach ihm, doch bisher waren die Ergebnisse nur negativ.
    Potter, so schien es, war vom Erdboden verschluckt worden. Nachdem Claudia gegangen war, hatte ich damit begonnen, das Haus zu durchsuchen. Ich fand nichts. Keine Tür, keinen geheimen Raum, nichts. Nur zwei verrostete Eisenringe im Keller, die in der Wand eingelassen waren. Wenn Arwanus tatsächlich in diesem Haus gelebt hatte, war es durchaus möglich, daß die Ringe in der Mauer auf sein Konto gingen. Der Zweck war mir allerdings nicht klar. Man konnte höchstens jemanden daran anketten. Vielleicht hatte er hier ein kleines Privatgefängnis unterhalten.
    Später saß ich im Arbeitszimmer, kramte den Zimmerplan des Landhauses aus irgendeiner Schublade und begann zu rechnen und aufzumalen. Nein, nach einer Stunde war ich mir ganz sicher, daß es keinen geheimen Raum in diesem Haus gab. Ich mußte den rötlichen Steinklotz woanders gesehen haben.
    Oder ich bildete mir nur ein, den Quader gesehen zu haben. Eine Weile saß ich noch grübelnd über meinen Zeichnungen, dann begann ich mit den Vorbereitungen zu dem, was ich mir schon am Nachmittag vorgenommen hatte.
    Ich ging in die Garage, knipste die Deckenbeleuchtung an und schloß den Wagen auf. Um an das Handschuhfach des Beifahrersitzes zu gelangen, mußte ich mich tief ins Wageninnere beugen. Dabei stützte ich mich mit der Hand auf dem Polster ab. Ich spürte etwas Körniges, Hartes unter der Handfläche und betrachtete den Sitz genauer. Auf dem Fahrersitz gab es eine Menge Spuren von pulverisiertem Glas. Sonst nichts, aber es genügte.
    Kein Schreck durchfuhr mich, keine Panik, kein Grauen und keine Angst. Ich stand einfach da, rieb die winzigen, gläsernen Krumen zwischen den Fingerspitzen, und es gab nichts anderes als trostlose Leere um mich herum.
    Die Gewißheit, die ich so herbeigesehnt hatte, war da. Sie fraß sich wie ein kaltes Messer in meine Eingeweide. Und dort

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