0601 - Aibons Monster-Troll
fest, daß ich unter Kontrolle gehalten wurde. Perlhaut hatte es mir versprochen. »Auch wenn du mich nicht siehst, John, ich bin in deiner Nähe und halte Wacht. Verlasse dich darauf.«
Diesmal ritt ich weiter vom Ufer des Sees entfernt. Seeschlangen mit einer derartigen Reichweite konnten nur zu leicht in die nahen Uferregionen gelangen, das wollte ich auf jeden Fall vermeiden. Als Fraß für Monster sah ich mich nicht an.
Über mir schwebte noch immer der Dunst, aber die Löcher in den Tüchern waren größer geworden. Die Sonne über Aibon hatte den mächtigen Regen vergessen lassen und auch dafür gesorgt, daß meine Kleidung nicht mehr vor Feuchtigkeit dampfte.
Der Wind war warm. Er strich wie ein feines Tuch durch mein Gesicht und schien direkt aus irgendwelchen stickigen Sümpfen emporgekrochen zu sein. Ihn begleitete der Geruch von Frische, aber auch vermischt mit einem Fäulnisgestank, denn an seinem Ende ging der See über in eine weite, braungrüne Fläche, die auf einen Sumpf hindeutete. Auch dessen Oberfläche befand sich in permanenter Bewegung, nur konnte ich nicht erkennen, ob Lebewesen durch das hohe Gras wischten oder nur der Wind mit den Halmen spielte.
Die Fläche zwischen See und Wald verlor an Breite. Der Wald wuchs immer näher heran. Ein dichter Wirrwarr aus Pflanzen, hohen Bäumen und Gestrüpp, dessen Blätter im Wind zitterten, manchmal gedreht wurden, ihre Unterseiten zeigten, die aufblitzten wie glänzende Taler.
Auch zwischen den Bäumen entdeckte ich zahlreiche Bewegungen. Weiße Vögel, die Ähnlichkeit mit Kranichen hatten, flatterten plötzlich aus einem dichten Wipfelgestrüpp in die Höhe. Etwas schnellte hinter ihnen her. Zuerst dachte ich an einen Arm, wie den des Seeungeheuers, doch das braune Tier sah aus wie ein großer Schäferhund, dem lederartige Flügel gewachsen waren.
Mit ihnen konnte er sich kaum voranbewegen. Es reichte aus, um den nächsten Baum zu erreichen, aber nicht die Beute. Die Vögel waren ihm entwischt.
In einem Land wie diesem wäre ich gern mit einem Schwert oder einer Machete bewaffnet gewesen. Nur die Beretta und den Bumerang zu tragen, kam mir etwas deplaziert vor.
Wenn ich die Richtung beibehielt, würde ich unweigerlich in den dichten Wald einreiten. Vom Herrscher dieses Landes an der Grenze zwischen den beiden Aibon-Teilen hatte ich noch nichts gesehen.
Wie der Hook aussah, war mir unbekannt.
Wieder schaute ich zu den Bergen hin, die unter den Strahlen der Sonne rötlichbraun glühten. Sie boten schon ein imposantes Bild, wie sie da in einer nahezu majestätischen Ruhe standen und alles unter Kontrolle hatten.
Ich war durch die Berge geritten, das bei strömenden Regen, und erlebte nun eine tropische, feuchte, dschungelhafte Hitze, die meine Kleidung wieder näßte. Diesmal mit Schweiß.
Ich hatte Hunger bekommen, auch Durst. Beides hielt sich noch in Grenzen.
Irgendwann mußte ich doch auf den Hook treffen oder auf seine Wohnstatt.
Meine Gedanken drehten sich um Perlhaut, während die ersten Zweige schon fast den Körper des Hirsches berührten. Ich hielt das Tier an, wollte mich umschauen, als dicht vor meinen Augen etwas Durchscheinendes herwischte.
Es war die Geisterfee.
»Bis hierher hast du es geschafft, John. Ich gratuliere dir«, hörte ich ihre wohlklingende Stimme.
Ich winkte ab. »Es war kein Kunststück. Nur habe ich den Hook noch nicht gesehen.«
»Das weiß ich. Du mußt auch noch reiten, um in das Zentrum zu gelangen, wo er herrscht.«
»Okay.« Ich klopfte gegen den Kopf des Hirschen. »Aber was ist mit den Horror-Reitern?«
»Auch deshalb bin ich gekommen, John. Sie haben das Gebiet bereits erreicht.«
Ich saß starr. »Was sagst du da? Soll das heißen, daß ich ihnen begegnen kann?«
»Wenn du Pech hast.«
Ich wischte über meinen Nacken. »Das wäre mir nicht recht. Ich müßte erst den Hook gefunden haben.«
»Ich werde dir den Weg beschreiben. Er ist nicht mehr schwierig, auch wenn der Wald sehr dicht aussieht. Eines möchte ich dir noch erklären. Was immer du siehst, sei auf der Hut! Es können manchmal sehr böse Feinde sein.«
»Das glaube ich dir gern, Perlhaut.«
In den folgenden Sekunden bekam ich die genaue Beschreibung, wie ich zu reiten hatte. Ich prägte mir den Weg ein, nickte der Geisterfee dankbar zu und ließ den weißen Hirschen gehen.
Mir kam es vor, als würde er zögern, den direkten Weg zu nehmen. Konnte es sein, daß er die Gefahr roch, die im Wald auf uns lauerte? Ich sprach mit
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