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0603 - Die Pestklaue von Wien

0603 - Die Pestklaue von Wien

Titel: 0603 - Die Pestklaue von Wien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Grund konnte sie nicht sagen. Einen Moment lang dachte sie sogar an eine Seelenverwandtschaft und hatte die schrecklichen Taten der Klaue vergessen.
    »Ich grüße dich, Isabel…«
    Das Mannequin zwinkerte mit den Augen. Das war schon ungewöhnlich, so angesprochen zu werden. Noch ungewöhnlicher kam es ihr vor, daß sie sogar eine Antwort gab. Sie flüsterte sie gegen die Handfläche, wo sie auch verstanden wurde. »Wer bist du?«
    »Wer bin ich, meine Teure? Denk genau nach…«
    »Das habe ich schon, aber…«
    »Ich kenne dich, Isabel. Ich kenne dich gut, ich habe dich schon lange gekannt, denn ich wußte, daß der Tag kommen würde, wo du hier in Wien erscheinst und durch dein Eintreffen hier alles anders werden wird. Glaube es mir.«
    »Was soll ich verändern?«
    »Wir beide sind aufeinander angewiesen. Du auf mich…«
    »Nein, das ist…«
    Er unterbrach ihre spontane Antwort. »Laß mich ausreden, Isabel, laß mich nur ausreden. Wir sind aufeinander angewiesen, denn du mußtest erst geboren werden, um den Fluch zu löschen.«
    »Deinen Fluch?«
    »So ist es. Du hast mich gefragt, wer ich bin. Ich werde dir meinen Namen nennen. Ich heiß Hercule de Dijon. Na, begreifst du nun, ma petite Isabel?«
    Da hockte sie und glaubte, den Boden unter den Füßen verlieren zu müssen. Heiße und kalte Schauer rannen abwechselnd über ihren Rücken. Die Augen hatten einen starren und nachdenklichen Ausdruck bekommen. Wenn sie atmete, tat sie es laut und überdeutlich.
    Der Name de Dijon war nicht nur einmal in ihrer Heimat vertreten, es gab viele Menschen, die so hießen. Daß die Gestalt in der Hand ebenfalls de Dijon hieß, sah sie nicht als einen Zufall an. Dahinter steckte Methode.
    »Nun? Hast du deinen ersten Schock überwunden?« erkundigte sich die geisterhafte Gestalt fast sanft.
    Isabel nickte, obgleich sie den Kopf schütteln wollte. »Ein… ein wenig schon.«
    »Das ist gut, so kann ich dir mehr erklären. Ich, Hercule de Dijon, gehöre zu deinen Vorfahren. Ich bin Franzose gewesen so wie du, aber ich gehörte der Gruppe der Baphomet-Templer an, die es nach Wien verschlug. Die meisten meiner Brüder wollten hier einen Stützpunkt für den Dämon errichten, das aber fiel auf, und so kam es zu einer gnadenlosen Verfolgung durch andere. Alle konnten sich retten, nur mich fingen sie ein. Es geschah zur Zeit der Pest, im Jahre 1679, als sie mich gefangennahmen und sich einen besonderen Tod für mich ausdachten. Sie hackten mir die rechte Hand ab und warfen mich, als ich noch lebte, in eine der Pestgruben. Ich war nicht einmal bewußtlos geworden, erlebte den Schrecken noch lange mit und schwor grausame Rache, die ich durch die Hilfe Baphomets erfüllen wollte.«
    »Das ist… das ist unglaublich!« stotterte sie. »Viel zu lange her. Das kann nicht sein.«
    »Bei dämonischen Kräften spielt Zeit keine Rolle, Isabel. Das solltest du dir merken. Was ist schon Zeit? Ein Nichts im Vergleich zu den großen Dingen des Lebens. Ein winziger Tropfen nur. Mein Körper verging, der Geist überlebte, und auch die Hand verweste nicht. Baphomet sorgte dafür, daß sie versteinerte und meinen Geist in sich gefangenhielt, während der übrige Körper zu Staub zerfiel. Eines Tages, das wußte ich, würde jemand in diese Stadt kommen, der für mich sehr wichtig ist. Ein Mitglied der Familie de Dijon, denn nur er oder sie schafft es, mich endgültig zu befreien.«
    Isabel hatte sehr genau zugehört. Nur brachte sie die zahlreichen Informationen nicht in eine logische Folge. Sie hockte vor der Klaue und schüttelte immer wieder den Kopf.
    »Hast du mich begriffen?«
    »Ich… ich soll dich wirklich erlösen?«
    »Ja«, erklärte er. »Du sollst mich erlösen. Nur durch deine Anwesenheit kann ich von diesem Fluch befreit werden. Von nun an werden wir unser Schicksal gemeinsam teilen, Isabel.«
    Obwohl die junge Frau nickte, war sie innerlich völlig von der Rolle. Aber sie hatte begriffen, daß sie ein wichtiger Joker in diesem dämonischen Spiel darstellte und daß ihr Ahnherr, Hercule de Dijon, ohne sie praktisch weiterhin verflucht blieb. War das nicht auch eine Chance für sie?
    Isabel fragte sich, woher sie den Mut nahm, als sie die nächsten Worte formulierte. »Was ist, wenn ich mich weigere, dir dabei zu helfen, dich zu befreien.«
    Sie hatte sich auf das schwach abgebildete Gesicht des Geistes konzentriert und erkannte, daß es sich bewegte. Möglicherweise verzog es sich auch zu einer Grimasse, die Antwort jedenfalls

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