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061 - Der Zinker

061 - Der Zinker

Titel: 061 - Der Zinker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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betrachtete.
    »Ein echter Zorn!« rief er begeistert. »Diese Lichteffekte, diese Bewegung - ein großer Meister!«
    Sanft sah er Mr. Friedman an, als ob er von ihm eine Bestätigung erwartete.
    »O ja«, sagte Lew Friedman geduldig. »Aber Sie sind doch nicht hierhergekommen, um mit mir über Radierungen zu sprechen?«
    Mr. Harras machte ein enttäuschtes Gesicht.
    »Nein. Allerdings, deswegen bin ich nicht gekommen, aber als ich diese Zeichnung sah, habe ich den Grund meines Besuches für einen Augenblick tatsächlich vergessen. Ich bin gekommen, um Sie zu fragen, ob Sie einen Herrn namens ...« Er strich sich übers Kinn, kramte in seinen Westentaschen und zog einen zerknitterten Zettel heraus. »Ob Sie John Leslie kennen?«
    Es war einer seiner Tricks, die Blicke achtlos von einem Gegenstand zum andern schweifen zu lassen, um dann plötzlich sein Gegenüber zu fixieren. Auch jetzt faßte er, nachdem er die Frage gestellt hatte, Mr. Friedman fest ins Auge.
    »Ich kenne ihn - ich habe ihn sozusagen mal getroffen«, stotterte Lew irritiert. »Aber, warum wollen Sie das wissen?«
    »Können Sie mir etwas über ihn erzählen?« fragte Josua mit seiner milden Stimme und ließ den Kopf so bescheiden hängen, daß man seine Bitte nicht einfach abschlagen konnte.
    »Ich weiß sehr wenig von ihm, aber Mr. Sutton wird Sie zweifellos mit ihm bekannt machen, er kann Ihnen auch mehr über ihn erzählen. Mr. John Leslie ist sein Geschäftsführer.«
    »Ich weiß -«, murmelte Josua, »ich habe lange herumfragen müssen, bis ich es herausbrachte. Aber was die Vergangenheit dieses Mr. Leslie betrifft ...«
    »Darüber weiß ich nichts«, unterbrach Friedman bedauernd. Er erinnerte sich seiner eigenen Vergangenheit und lehnte sich gegen diese Ausfragerei auf. ›Du sollst nichts ausplaudern!‹ ist das älteste und heiligste Gebot unter Verbrechern, und auch seine jetzige bürgerliche Stellung entband ihn nicht von dieser Verpflichtung.
    »Das tut mir sehr leid«, erwiderte Josua. Seine ganze Haltung drückte Entschuldigung aus. »Ich dachte, daß Sie mir wenigstens etwas zu berichten wüßten. Inspektor Barrabal, den ich ja nicht persönlich kenne, mit dem ich aber manchmal telefoniere, meinte, daß Sie mir möglicherweise bei meinen Nachforschungen helfen könnten.«
    »Wie - Barrabal? Ach so, das ist der - der Detektiv, über den man in letzter Zeit so viel spricht. Nun, da können Sie Barrabal meine Grüße überbringen und ihm mitteilen, daß ich nichts von Leslie weiß - und, wenn ich etwas wüßte, es ihm nicht verraten würde.«
    »Handelt es sich um Mr. Leslie?«
    Beryl war in der Tür der Bibliothek erschienen und hatte diese Frage gestellt.
    »Dieser Reporter will mich über ihn ausfragen!« Lew schaute Josua prüfend an. »Sie sind eigentlich ziemlich alt für einen Zeitungsmann!«
    Harras kümmerte sich nicht um diese verletzende Bemerkung, sondern lächelte die junge Dame sanftmütig an.
    »Alt und tüchtig«, äußerte er, mehr zu sich selbst. »Das ist ein großer Vorteil, den die Jahre bringen - Zuwachs an Verstand und Tüchtigkeit!«
    »Was wollten Sie über Mr. Leslie wissen?« fragte Beryl.
    »Alles!« Josua machte eine auffordernde Handbewegung, die wie eine Einladung dazu wirkte, ihm gegenüber die Siegel aller Geheimnisse aufzubrechen. »Da war diese unglückliche Geschichte in der Mortimer Street. Ein Mann namens Larry Graeme wurde tot aufgefunden. Es ist ganz natürlich, daß wir Auskünfte bei allen Personen einholen möchten, die unsere Nachforschungen nach dem Täter unterstützen können.«
    Der schlichte Tonfall seiner Stimme paßte nicht ganz zum dramatischen Inhalt seines Resümees. Josua sprach so, als würde ein Kind die Rede des Antonius an der Leiche Cäsars hersagen.
    »Ist Captain Leslie ...« begann Beryl, aber Lew brachte sie durch einen Wink zum Schweigen.
    »Wir wissen hier nichts von Leslie«, erklärte er abweisend. »Sie haben Ihre weite Fahrt umsonst gemacht.«
    »Nicht ganz umsonst.«
    Josua verbeugte sich leicht zu Beryl hin, und mit diesem Kompliment verabschiedete er sich.
    Als er die Straße hinunter zum wartenden Taxi ging, machte er sich Vorwürfe. ›Nun hast du vierzehn Shilling für Wagenfahrten ausgegeben, Josua, und wenn du jetzt deine Kostenrechnung einreichst und dir im Büro vorgehalten wird, daß weiter nichts passiert ist, als daß du Mr. Friedmans Fingernägel betrachtet hast, dann sitzt du schön in der Patsche, besonders wenn man bedenkt, daß der Fingernagel, den

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