Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
061 - Der Zinker

061 - Der Zinker

Titel: 061 - Der Zinker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
Vom Netzwerk:
Ankunft John Leslies hinderte sie an weiteren Fragen. Er trat rasch ins Zimmer, sah Harras und hielt überrascht an. Dann schloß er die Tür und ging zu seinem Schreibtisch. Josua war aufgestanden. Eine Sekunde lang sahen sie sich in die Augen. Leslie machte eine recht unfreundliche Miene.
    »Wollen Sie mich sprechen?« fragte er kurz angebunden.
    »Ja, ich möchte Sie gern sprechen - in einer Sache von öffentlichem Interesse.«
    Leslie schaute auf die Sekretärin. Er fragte nicht, ob das Interview unter vier Augen stattfinden sollte, er schien das vorauszusetzen.
    »Gut, Miss Trent«, sagte er.
    Dies war gewöhnlich seine Art, sie hinauszuschicken. Sie wurde rot. Damit konnte er sie bis aufs Blut ärgern. In solchen Augenblicken hätte sie ihn ermorden können, während sie ihn bei anderen Gelegenheiten wieder ganz erträglich fand.
    »Ich glaube, ich kann noch nicht gehen, Mr. Leslie«, bemerkte sie schroff. »Ich habe noch alle diese Briefe durchzusehen.«
    »Lesen Sie sie irgendwo anders!«
    Josua Harras beobachtete sie und sah, daß ihre Hände vor Wut zitterten, als sie die Korrespondenz zusammenraffte und überstürzt aus dem Zimmer rannte.
    Er übergab Leslie eine Karte, der einen Blick darauf warf und sie auf den Tisch fallen ließ.
    »Nehmen Sie Platz, Mr. Harras! - Nun, warum wollen Sie mich sprechen? Ich war nicht Zeuge bei dem Mord - ich vermute, daß Sie deswegen kommen -, ich hörte nicht einmal die Schüsse. Überhaupt kann ich Ihnen nichts mitteilen, was einen Reporter interessieren könnte.«
    Josua hüstelte.
    »Ich möchte Sie in einer ganz besonderen Angelegenheit sprechen - in der Tat, ich wüßte nicht, je schon unter so verwickelten Umständen .«
    »Es ist also nicht wegen des Mordes?«
    »Nein.« Josua hüstelte wieder. »Die Sache ist so, Mr. Leslie, ich bin einer Reportage auf der Spur - einer ganz anderen Sache, die aber wahrscheinlich mit dem Verbrechen in Zusammenhang steht, an das wir beide denken. Es gibt in London einen Mann - ich will nicht sagen, einen Meisterverbrecher, weil dieser Ausdruck mit seriösem Journalismus nichts mehr zu tun hat -, der nach einem raffinierten System arbeitet. Kurz, ich muß hinter die Geschichte kommen, weil uns das ›Journal‹, eine ernste Konkurrenz, in ein oder zwei Punkten schon geschlagen hat. Nach unseren Informationen ist dieser gewitzte Verbrecher .«
    Leslie hatte Harras von oben bis unten betrachtet.
    »Sie sehen nicht wie ein Reporter aus«, unterbrach er ihn.
    »Kein Reporter sieht so aus - darin sind Reporter Musikern und Literaten überlegen, denn sie erscheinen nie als das, was sie wirklich sind.«
    »Warum sind Sie eigentlich zu mir gekommen?« fragte Leslie ungeduldig. »Bilden Sie sich ein, daß ich etwas von Hehlern weiß?«
    Josua biß sich auf die Lippen. Es war eine heikle Angelegenheit, und er kam nun zum empfindlichsten Teil seiner Aufgabe. Die ganze Zeit, während er mit Leslie sprach, dachte er angestrengt darüber nach, wo er ihn schon gesehen hatte.
    Wenn die Berichterstatter in Old Bailey auf die Verhandlung einer Mordsache warten oder wenn sonst ein wichtiger Strafprozeß beginnt, werden manchmal vorher kleinere Fälle abgeurteilt, ohne daß sie das Interesse der wartenden Zeitungsleute erregen. Möglicherweise hatte er John Leslie unter solchen Umständen auf der Anklagebank gesehen. Wahrscheinlich hatte Harras damals den Mann mit dem harten, glattrasierten Gesicht nur oberflächlich zur Kenntnis genommen, und die Erinnerung daran war verblaßt.
    »Ich möchte Ihnen gegenüber ganz offen sein, Mr. Leslie - oder muß ich Captain Leslie sagen?«
    »Das ist mir ganz gleich.«
    »Vor einigen Tagen kam ich mit Inspektor Barrabal in Berührung«, berichtete Harras und sah, wie Leslie die Stirn kraus zog. »Ich schrieb ihm in dieser Angelegenheit, und er antwortete mir, daß es nützlich wäre, wenn ich Sie deswegen aufsuchte.«
    »Warum ausgerechnet mich?« Als Josua zögerte, half ihm Leslie weiter: »Er hat Ihnen vielleicht gesagt, daß ich früher eine Gefängnisstrafe abgesessen habe und infolgedessen mit allem vertraut sei, was in der Verbrecherwelt passiert?«
    »Ich danke Ihnen -«, seufzte Mr. Harras erleichtert.
    »Und dann mag er Ihnen auch erzählt haben, daß ich etwas intelligenter bin, als es in diesen Kreisen im Durchschnitt üblich ist - oder sogar, daß ich Sie auf die Spur des Zinkers bringen könnte?«
    »Ich bin Ihnen zu großem Dank verpflichtet«, murmelte Harras.
    »Aber da täuscht sich Barrabal, das

Weitere Kostenlose Bücher