061 - Der Zinker
ein Halsschmuck im Wert von 8000 Pfund gestohlen worden, während die Familie beim Essen saß. Es handelte sich um ein sehr altmodisches Schmuckstück, das vor ungefähr achtzig Jahren angefertigt wurde, aber die Diamanten waren gut.
Der Diebstahl, vor zwei Tagen verübt, war von der Polizei geheimgehalten worden. Nun wurde eine Fotografie des Halsbandes veröffentlicht mit einer Beschreibung jedes einzelnen Steines, die Leslie nur überflog.
Die zweite Nachricht war nur zwei Zeilen lang und setzte die Welt davon in Kenntnis, daß Inspektor Barrabal sich erholte.
Er faltete die Zeitung zusammen. Lange stand er am Fenster und starrte auf die Straße, wie an jenem Abend, als Larry Graeme ermordet wurde.
Millie Trent kam zurück. Ihr Zorn war verraucht. Mit einem um Entschuldigung bittenden Lächeln sagte sie:
»Es tut mir leid, daß ich die Ruhe verloren habe, Captain Leslie! Ich hoffe, daß Sie mir verzeihen. Ich fühle mich heute nicht besonders gut, und alles macht mich nervös. Sie waren aber auch schwierig!«
»Das tut mir gleichfalls leid«, meinte Leslie versöhnlich.
»Es gefällt keiner Frau, wenn man Anspielungen auf ihren schlechten Charakter macht.« Sie sprach wieder ganz normal, in ihrer schnellen, geschwätzigen Art. »Ich bitte um Entschuldigung für alles, was ich über Miss Stedman sagte. Sie kommt in ein paar Minuten ins Büro, und es wäre mir nicht lieb, wenn Sie ihr sagen würden ...«
»Sie kommt hierher?« fragte er ungläubig. »Wissen Sie das sicher?«
Er sah ihr flüchtiges Lächeln nicht.
»Sie ist in der Stadt, und Mr. Sutton bat sie, heraufzukommen - sie und Mr. Friedman.«
Diese Nachricht hätte Leslie zuallerletzt erwartet. Vielmehr hatte er damit gerechnet, daß Beryl sorgfältig vom Geschäftshaus ferngehalten würde.
»Wann kamen Sie letzte Nacht, Captain Leslie? Wir gingen nicht vor halb zwölf.«
»Ungefähr drei Viertel zwölf, fünf Minuten nachdem Sie gegangen waren.«
»Warum in aller Welt kamen Sie noch einmal ins Büro?« fragte sie mit freundlicher Bosheit. »Sie sind doch nicht in eine Liebesaffäre verwickelt -? Seien Sie nicht böse!«
»Das bin ich nicht. Ich kam auf dem Weg vom Theater vorbei, um noch eine Arbeit mitzunehmen. Warum wollen Sie das wissen?«
»Ach, ich habe nur so gefragt.«
Suttons Klingel rief sie. Nach einigen Minuten kehrte sie in Begleitung eines dunkel gekleideten, schlanken Herrn mit Schnurrbart zurück, für den die Bezeichnung ›Polizeibeamter‹ von den klobigen Schuhen bis zum akkurat gebürsteten Haar wie geschaffen war.
»Dieser Herr möchte Sie sprechen!«
Jetzt kam auch Frank Sutton hinzu.
»Dieser Mann«, verkündete er im Ton tiefer Anteilnahme, »kommt mit einer unglaublichen Geschichte! Dieser - hm, ich meine, Beamte, Sergeant Valentin von Marylebone .«
»Sergeant Valentin, C.I.D.«, verbesserte der andere bestimmt. »Ich möchte Sie ein paar Dinge fragen, wenn es Sie nicht stört, Captain Leslie.« Er sah sich um. »Ich weiß nicht, ob diese Dame hierbleiben soll.«
»Es ist besser«, sagte Sutton, »wenn das richtig ist, was Sie mir mitteilten.« »Es ist wahr«, murmelte der Beamte. Er wirkte sehr würdevoll und verkörperte in diesem Augenblick gewissermaßen alle Majestät des Gesetzes. »Ich habe einen gewissen Verdacht, Captain Leslie - nebenbei, ich weiß zufällig einiges von Ihrer früheren Laufbahn.«
»Natürlich, schließlich sind Sie Detektiv und wissen alles!«
»Ich forsche einem Diebstahl nach, der in Park Lane 804 begangen wurde - der Diamanthalsschmuck der Lady Creethorne wurde gestohlen. Nach unseren Informationen ist dieses Schmuckstück in Ihrem Besitz.«
Leslie sah ihn fest an.
»Was Sie nicht sagen!«
»Ich brauche Ihnen wohl nicht eigens mitzuteilen, daß der Mann, der den Halsschmuck gestohlen hat, heute morgen verhaftet wurde - wenigstens einer der Beteiligten. Er gab an, gestern nacht um elf Uhr den Schmuck einem Mann ausgehändigt zu haben, den alle den Zinker nennen.«
»Captain Leslie war um drei Viertel zwölf hier!«
Es war Millie Trent, die diese Information mit sichtlicher Befriedigung gab.
»Drei Viertel zwölf? Nun ja, da hätten Sie genügend Zeit gehabt. Der Schmuck wurde um elf Uhr am Thames Embankment übergeben. Der Empfänger zahlte dafür neunhundert Pfund in amerikanischen Banknoten. Der Verkäufer sitzt, wie erwähnt, jetzt in Haft. Nach meiner Information waren Sie der Käufer.«
»Ihre Information paßt wie die Faust aufs Auge. Wollen Sie mich durchsuchen?«
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