061 - Der Zinker
etwas anderes.«
Ihre Teilnahmslosigkeit war so offenkundig, daß er zunächst nicht antwortete. Immer noch gingen sie auf der mit Steinplatten belegten Terrasse auf und ab.
»Lew zeigt sich außerordentlich großzügig. Er will deine Zukunft in jeder Art und Weise sicherstellen, und dann hat er mir einen Scheck über zwanzigtausend Pfund zugesagt, damit ich mein Geschäft vergrößern kann. Am liebsten würde ich Samstag ein großes Freudenfest in der Firma veranstalten.«
Er lachte, fand aber kein Echo bei ihr. Sie war froh, als sie Onkel Lews Stimme hörte, der sie ausschalt, daß sie bei dem kalten Wetter so lange draußen blieben.
Frank verabschiedete sich bald, er blieb nicht zum Abendessen, wofür sie ihm dankbar war. Sobald sie konnte, ging sie auf ihr Zimmer, setzte sich an ihren zierlichen Damenschreibtisch und begann einen Brief an John Leslie. Aber sie war müde und konnte nicht die richtigen Worte finden, die sie ihm gern geschrieben hätte. Nach einigen vergeblichen Versuchen ging sie wieder zu Onkel Lew in die Bibliothek hinunter.
Sie wollte über einen bestimmten Punkt Gewißheit haben, und sobald sich die Gelegenheit bot, fragte sie:
»Hast du Frank von Leslie erzählt?«
Er nahm den Klemmer ab und legte die Zeitung nieder.
»Ich sagte ihm nur das, was er zu wissen braucht, nämlich, daß Leslie mir versprochen hat, dich bis zum Vorabend deiner Hochzeit nicht mehr zu sehen.«
»Hat er nicht gefragt, warum du John dieses Versprechen abgenommen hast?«
»Nein, er sieht diese Beziehung zu Leslie nicht so alarmierend wie ich, und ich hatte auch keine Gelegenheit, die Sache mit ihm zu besprechen.«
Seine Antwort beruhigte sie nicht ganz.
»Frank erzählte mir, er verstehe nicht, weshalb du so darauf dringst, daß niemand im Büro den Zeitpunkt der Trauung erfährt.«
Lew lächelte nachsichtig.
»Dann ist er weit dümmer, als ich angenommen habe.«
Mit dieser für Beryl etwas sonderbaren Bemerkung beendete er die Unterhaltung.
Als sie in die Halle kam, stand der Diener an der Haustür und sprach mit einem Telegrammboten. Er drehte sich um, als er Schritte hinter sich hörte.
»Hier ist ein Telegramm für Mr. Sutton«, rief er ihr zu. »Wollen Sie es an sich nehmen, gnädiges Fräulein?«
Erst wollte sie das Telegramm zu Onkel Lew hineinschicken lassen, aber dann nahm sie es doch und riß es auf. Vielleicht hatte es mit dem dringenden Anruf zu tun, den Frank erwartet hatte. Sie las:
›Kabinen reserviert für Jacksons. Pacific.‹
Sie ging damit zu Lew. Er schüttelte den Kopf darüber.
»Möglicherweise hat Frank die Kabinen für einen seiner Kunden belegt. Ich könnte es mir sonst nicht erklären. Jedenfalls will ich es gleich telefonisch zu seinem Büro durchgeben.«
Sie zog sich endgültig in ihr Zimmer zurück, vergaß alles - Schottland, Jacksons Kabinen, Frank, sein Geschäft, und machte von neuem einen Versuch, John Leslie zu schreiben.
14
Das ›Journal‹ war eine hervorragend aufgemachte Zeitung mit einem guten Mitarbeiterstab. Aber es ist kennzeichnend für diese Art Blätter, daß sie wenig Ausdauer und Konsequenz an den Tag legen. Die weltbewegende Sensation, die heute in riesengroßen Schlagzeilen am Kopf der Zeitung prangt, ist schon morgen vergessen, wird von einer noch viel welterschütternderen Neuigkeit verdrängt.
In einer Sache jedoch zeigte sich das Blatt sehr konsequent und ausdauernd, nämlich in seinen Berichten über den Zinker. In diese Geschichte hatte sich die Redaktion festgebissen, und es verging kaum ein Tag, an dem nicht einige Bemerkungen und Spekulationen über den ›großen Unbekannten‹ erschienen. Die Berichte waren durchwegs geschickt aufgemacht.
Der Mann, der sich über die Ausdauer des ›Journal‹ am meisten ärgerte, war Mr. Field, der Redakteur des ›Postkuriers‹.
»Es ist ein Skandal! Sehen Sie sich das wieder an!« Verärgert schlug er mit der Hand auf den Tisch. »Dagegen wirkt der ›Postkurier‹, das heißt natürlich vor allem Sie mit Ihren Berichten, wie gefrorener Käse!«
Mr. Harras seufzte und suchte verstohlen in seinen vielen Taschen nach einer Zigarette. Als er keine fand, nahm er eine aus dem Kästchen, das auf dem Tisch des Redakteurs stand.
»Gefrorener Käse ...« begann er.
»Also, nun nehmen Sie mal die Sache nicht wörtlich!« fuhr ihn Field an. »Gehen Sie gleich nach Scotland Yard und bestehen Sie darauf, Barrabal zu sprechen.«
Harras seufzte wieder.
»Der besteht noch viel energischer darauf, daß er
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