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061 - Im Reich der Tausend

061 - Im Reich der Tausend

Titel: 061 - Im Reich der Tausend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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der Welt, über fünfhundert Jahre erhalten hatte. Dann fiel sein Blick auf eine an die Wand geschraubte Bronzetafel: ein Verzeichnis der Firmen, die bis 2012 in diesem Hochhaus ihren Geschäften nachgegangen waren.
    Da die Offiziere ihn rasch und energisch weiterzerrten, konnte Matt nur wenige Firmennamen lesen, aber zumindest zwei blieben in seinem Gedächtnis haften: TRILITHIUM, INC. und VIKTOR URSINOW - WAFFEN ALLER ART.
    Den Energiekristallen der Firma Trilithium verdankten die Techno-Bunker noch heute Wärme und Strom. Viktor Ursinows Waren hatten seit 1990 zahlreiche afrikanische, asiatische und südamerikanische Tyrannen an die Macht gebracht. Matt hoffte deshalb, dass der Kometeneinschlag diesen Mann auf der Latrine erwischt hatte.
    Bald darauf fand er sich in einem Raum wieder, der entfernte Ähnlichkeit mit einer Arztpraxis hatte. Eine knochige Frau mit schwarzen Augen, hochgestecktem schwarzen Haar und herben Gesichtszügen, die einen fleckigen, blassgrünen Kittel trug, schnarrte die Offiziere an. Die Männer standen stramm und salutierten. Dann zwangen sie Matt auf eine merkwürdig geformte metallene Sitzgelegenheit. Während ihm der eine die Mündung einer Pistole an die Schläfe drückte, durchschnitt der andere Matts Handfessel - nur um seine Arm- und Fußgelenke mit dünnen Lederschlaufen auf dem Stuhl zu fixieren. Dann bauten sich die beiden mit stoischer Miene rechts und links der Tür auf.
    Matt schaute sich um. Es war nicht übertrieben zu sagen, dass ihm die Muffe ging. Dass er seine Sitzgelegenheit als gynäkologischen Stuhl erkannte, war auch nicht dazu angetan, seine Laune zu heben.
    Die Foltermeisterin kam näher und taxierte ihn wie eine Laborratte. Matt fühlte Übelkeit aufsteigen, als er in ihrer Hand eine riesige Spritze sah, in der pfefferminzgrüne Flüssigkeit schwappte.
    »Moment mal«, versuchte er Zeit zu schinden, »wir können doch über alles reden. Was wollt ihr wissen?«
    Die Tür ging auf und der Gelehrte Stepaan schob seinen Rauschebart in den Raum. Ihm dichtauf folgte der Späher Nikolaai. Die Foltermeisterin blaffte die beiden an, verdrossen über die Störung. Matt stand dem unerwarteten Besuch wesentlich positiver gegenüber.
    »Stepaan!«, rief er. »Hast du mit dem Zaren gesprochen?«
    Erst aber wechselte der Greis einige Worte mit der Foltermeisterin. Matt verstand »Zar« und »Fjodoor«. Leider konnten es keine guten Nachrichten sein, denn die Foltermeisterin knurrte nur zufrieden und deutete auf einige dreibeinige Hocker, die an einer Wand aufgereiht standen. Nikolaai setzte sich schweigend, während Stepaan einen der Hocker heranzog und neben Matt Platz nahm.
    »Leider der Zar ist uneinsichtig, Maddrax«, sagte er mit leidender Miene. »Ich bin hier, um mir zu merken, was du sagst unter der Folter. Und Nikolaai darf hier sein zur Belohnung, weil er dich gefangen hat.«
    »Toll! Dann bin ich also eine Art erster Preis, was?«, erwiderte Matt zynisch. »Sag der Dame im Kittel, dass ich mit dem Zaren reden will. Sie kann sich die Folter sparen.«
    Stepaan zuckte mit den Schultern. »Das ist gegen die Vorschriften«, sagte er bedauernd.
    »Erst die Folter, dann das Geständnis.«
    Die Foltermeisterin trat an Matts Seite, krempelte ihm den Ärmel hoch und setzte die Nadel an. Nikolaai stöhnte, als ginge es um sein eigenes Leben. Vermutlich war die »Belohnung« des Zaren für auch nicht das Gelbe vom Ei. Matt schloss die Augen und fragte sich, ob es ihm helfen würde, wenn er zu Wudan betete.
    »Das ist alles ein Missverständnis«, hörte er sich sagen, als die pfefferminzgrüne Flüssigkeit in seinen Arm drang. »Ich bin nicht der Feind eures Zaren… Ich bin nur ein harmloser… ahm… Forschungsreisender…« Ein merkwürdiges Jucken befiel Matts Zunge, und in ihm breitete sich das unwiderstehliche Verlangen aus, der Foltermeisterin ein Lied vorzusingen.
    »Der Zar irrt nie«, erwiderte Stepaan seufzend. Er klang ziemlich verbittert. »Er ist unfehlbar, wie seine Ahnen. Dies auch gilt für die Lejtenants, denn sie gehören zu seiner Familie.«
    Die angenehme Taubheit in Matts Hirn nahm zu. Er summte leise vor sich hin, und die Foltermeisterin betrachtete ihn zufrieden und sagte dann: »Die Befragung beginnt!«
    Matt war sich nicht sicher, was sie damit meinte. Das juckende Gefühl in seiner Zungenmuskulatur und das Bedürfnis zu singen wurden übermächtig, und so machte er den Mund auf und schmetterte die gute alte Nationalhymne von sternengesprenkelten

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