0613 - Mandragoros grausamer Garten
verändert, wie ich meinte. Noch immer schaute der Ankömmling gegen die breite Front. Der Trakt an der rechten Seite sah mir ziemlich verwittert aus. Er war damals schon nicht bewohnt gewesen, das hatte sich auch heute sicherlich nicht geändert.
Nur Chandler lebte hinter den Mauern, eine Person, mehr nicht.
Dennoch kam mir der Kasten irgendwo verlassen vor, als würde sich überhaupt kein Lebewesen darin befinden.
Suko hatte meine Gedanken erraten. »Machst du dir Sorgen, Alter?«
»Ein wenig.«
Er lachte. »Ist doch klar, daß Chandler hier nicht zur Begrüßung antanzt.«
»Schließlich wußte er Bescheid, daß wir kommen. Wer so dringend angerufen hat, wird uns erwartet haben.«
Vor dem Eingang ließ Suko den Wagen ausrollen. Als ich den BMW verließ, fiel mein Blick auf den breiten Durchgang, der zum Innenhof führte. Da wir sonniges Wetter hatten, glaubte ich für einen Moment, den hellen Reflex zu sehen.
Das Licht hatte sich in irgendeinem Gegenstand gespiegelt. Von Natur aus war ich mißtrauisch. Bevor Suko noch eine Frage stellen konnte, hatte ich ihn schon verlassen.
Der Burghof lag fast leer vor mir. Ich sage bewußt fast, denn in seiner Mitte stand ein Fiat Croma. Und der wirkte hier zwischen den alten Mauern wie ein Fremdkörper.
Auf seinem Dach befand sich eine Schneehaube, die übrigen Teile lagen ziemlich frei. Die Nummer gehörte in diese Gegend, es waren also keine Fremden, die das Fahrzeug hier abgestellt hatten.
Ich schaute hinein und fand es leer. Niemand war da, der es sich gemütlich gemacht hatte. Ich probierte die Türen und konnte die an der Fahrerseite öffnen.
Ein leichter Parfümgeruch wehte mir entgegen. Also hatte in diesem Fahrzeug eine Frau gesessen.
Spuren sah ich nicht. Als ich wieder auftauchte, stand Suko neben mir. »Na, was gefunden?«
»Nichts.« Mein Blick glitt über die Mauern bis hin zu den Fenstern. Ein wenig wurde ich dabei an meinen letzten Fall erinnert, der mich ebenfalls in ein Schloß geführt hatte.
»Laß uns hineingehen!« Suko drehte schon ab, er wollte den offiziellen Eingang benutzen. Ich wartete noch, folgte ihm dann und hörte seinen Fluch.
Was ich Sekunden später zu sehen bekam, ließ auch in meinem Magen einen Klumpen wachsen.
Jemand hatte alle vier Reifen unseres Wagens zerfetzt.
Natürlich suchten wir nach Spuren und fanden auch frische Fußabdrücke im harschigen und durch das Sonnenlicht teilweise schmelzenden Schnee. Jemand war vom Schloß gekommen. Wohin er gegangen war, konnten wir nicht erkennen.
»Frag mich nicht, wer es war«, murmelte Suko mit Wut in der Stimme. »Frag mich nicht.«
»Der Professor bestimmt nicht.«
»Das glaube ich auch.«
Suko sprach weiter. »Daß Chandler es nicht verhindert hat, läßt tief blicken.« Der Inspektor schaute mich an, als erwartete er von mir eine Erklärung.
»Er konnte es wohl nicht, Suko. Mein Gefühl, Alter, es hat mich nicht getäuscht.« Während der Worte schaute ich an der ehemals kaisergelben Fassade hoch, wo ich allerdings keine Bewegung entdeckte. Auch hinter den Fenstern rührte sich nichts.
Suko räusperte sich. »Jedenfalls hängen wir hier fest. Und noch weiter draußen zu stehen, habe ich auch keine Lust.« Er ließ mich stehen und schritt auf das große Portal zu. Der Schnee auf den Stufen war getaut.
Suko hatte seine Beretta gezogen, als er das schwere Portal öffnete.
Ich gab meinem Freund Rückendeckung, ebenfalls mit gezogener Waffe.
Niemand schoß auf uns. Wir blieben völlig unbeobachtet, wenigstens offiziell.
Suko betrat als erster die große Halle, die wir bereits kannten. Vor einigen Jahren waren wir zum letztenmal hier gewesen, und ich konnte nicht behaupten, daß sich etwas verändert hatte. Da stand noch alles so, wie wir es in Erinnerung hatten.
Frische und auch eingetrocknete Fußabdrücke auf dem Boden bewiesen uns, daß sich mehrere Personen in der Halle aufgehalten hatten. Ich entfernte mich von Suko und blieb an der Treppe stehen, aber auch dort war nichts zu sehen.
Die Stille kam mir bedrückend vor. Nirgendwo hörten wir ein Geräusch, unsere Tritte einmal ausgenommen. Sie schleiften über den Boden. Beide hoben wir die Schultern.
»Hat es Sinn, John, nach Chandler zu rufen?«
»Glaube ich nicht.«
»Wo könnte er sein, falls er sich tatsächlich hier herumtreibt?«
Ich zählte auf: »Sein Arbeitszimmer werden wir uns vornehmen, gleichzeitig auch seine Forschungs- und Wirkungsstätte. Du weißt, was ich damit meine?«
»Den
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