0613 - Stygias Höllen-Sklaven
bereit, sich in sein Schicksal zu fügen.
Er sah nach oben, wo der Haken aus der Wand ragte, an dem seine Kette befestigt war.
Und sprang die Wand an, um an ihr emporzuklettern - wobei die Kette ihm auch noch als Kletterhilfe diente.
Stygia würde sich noch wundern über das Kuckucksei, das sie sich selbst ins Nest gelegt hatte…
***
Ivana wunderte sich, daß sie noch am Leben war.
Als sie Jackson getötet hatte, war Ivana noch tiefer ins Gestrüpp gekrochen. Sie versuchte, kein noch so geringes Geräusch zu verursachen. Denn sie war sicher, daß sie keine Zeugin ihrer Tat zurücklassen würde.
Jackson hatte recht behalten. Sie hielt sich nicht an Absprachen. Sie war hinterhältig und mörderisch!
Sicher, Jackson hatte versucht, sie zu hintergehen. Aber ihn deshalb gleich derart unbarmherzig zu ermorden, das zeugte schon von einer gewissen Grausamkeit.
Sie sah sich um, drehte sich langsam um sich selbst.
Und verharrte plötzlich.
Es schien, als habe sie Ivana entdeckt.
Ihre Augen glühten rötlich auf, doch dann drehte sie sich weiter, und Ivana konnte das Glühen nicht mehr sehen.
Vielleicht hatte es sich Ivana in ihrer Angst auch nur eingebildet.
Sie hatte nicht damit gerechnet, daß ihre Aktion so verlaufen würde. Und wieder fragte sie sich, warum sie das hier alles tat, ohne diesen Gedanken zu Ende führen zu können. Irgendwie fühlte sie, daß sie unter Zwang stand, einem Zwang, dem sie noch immer unterlag.
War sie hypnotisiert worden, um den ahnungslosen Gryf aufzuspüren und die magischen Sperren zu beseitigen?
Sie bückte sich, streckte die Hand nach Gryf aus…
Und dann begann dieser Mann, dessen Gesicht blutüberströmt war, von einem Moment zum anderen zu schweben!
Als er sich ungefähr auf Hüfthöhe befand, flammte ein dunkler Blitz auf. Eine unvermittelt auflodernde Schwärze, die Ivana so erschien, als befände sich dahinter absolut nichts.
Irgendwie tastete diese Schwärze nach Ivanas Bewußtsein, berührte es aber nicht mehr, weil die Schwärze so schnell wieder verlosch, wie sie aufgeflammt war.
Und nun war weder von Gryf noch von ihr noch etwas zu sehen.
Sie waren verschwunden!
Aber dafür war etwas anderes zurückgeblieben.
Etwas, was hier nicht hergehörte…
***
Im Château Montagne, am Berghang über der südlichen Loire gelegen, warf, Nicole Duval einen Blick auf die Uhr.
»Sag mal, Chef, wollte Gryf nicht schon vor einer Stunde bei uns eintreffen?«
Zamorra vertrieb sich die Wartezeit mit einer Partie Schach und langweilte sich deshalb nicht besonders.
Sein Spielgegner war ein gewisser Mr. MacFool, dessen Äußeres sich recht exotisch darstellte: Körpergröße etwa ein Meter zwanzig, Körpervolumen vom Typ ›Ich bin viel zu klein für mein Gewicht‹, grünlichbraune, fleckige, feinschuppige Haut, Krokodilkopf, große, ständig staunende Telleraugen, ein Rückenkamm vom Kopf bis zur Schweifspitze, vierfingrige Hände, Stummelflügel. Mit einem Wort: Jungdrache.
Hervorstechende Charaktereigenschaften: vorlaut, feuerspeiend (speziell in ungeeigneten Momenten) und mit einem sagenhaften Hang zum Unfugstiften sowie ausgeprägter Tolpatschigkeit gesegnet.
»In einer Stunde, hat er gesagt«, brummte Zamorra zur Antwort.
»Das war vor zwei Stunden«, erinnerte Nicole.
»Ja?« sagte Zamorra staunend. »So lange schon? Dann sollte ich diesem Drachen vielleicht mal zeigen, wer hier die überlegene Intelligenz besitzt. - Schach und matt.«
Er zog eine Figur und grinste, während Jungdrache Fooly sekundenlang ins Grübeln geriet.
»Denkste«, verkündete er dann.
Und brachte eine Figur ins Geschehen, die bislang am Rand des Spielfelds gestanden hatte. Völlig unbeachtet und unberührt.
Zamorra hatte schon gehofft, Fooly hätte sie total vergessen.
Hatte er aber nicht, blockte Zamorras Attacke ab und brachte dessen Springer in eine verteufelte Situation.
Um ihn zu retten, würde er vermutlich Turm oder Läufer opfern müssen. So stellte sich die Frage: War es das wert?
Zamorra zog dem Läufer zwar jederzeit den Springer vor, weil der von vielen Spielern häufig unterschätzt wurde - gerade oder weil er eine geringe Reichweite hatte. Aber das alles hing vom jeweiligen Spielstand ab, und der sah im Moment nicht gerade danach aus, daß Zamorra sich überhaupt erlauben durfte, auch nur eine Figur zu opfern.
Nur blieb ihm jetzt nichts anderes übrig.
Nicole ließ sich in einen freien Sessel fallen.
Zamorra machte den nächsten Zug, und Fooly schüttelte den Kopf,
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