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0615 - Die Satans-Vision

0615 - Die Satans-Vision

Titel: 0615 - Die Satans-Vision Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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auseinanderlief.
    Mir fiel die Frau nur deshalb auf, weil sie so hastig lief, manchmal drei Stufen auf einmal nahm und mich schon dann erreicht hatte, bevor ich einen Schuh auf die erste Stufe stellen konnte.
    Sie blieb stehen, atmete keuchend, schaute mich an, stand noch zwei Stufen unter mir und mußte deshalb den Kopf in den Nacken legen, um in mein Gesicht zu sehen.
    Auch ich sah sie.
    Beinahe traf mich der Schlag, denn das Gesicht – mein Gott; ich kannte die Frau.
    Ich hatte sie schon einmal gesehen. Nicht persönlich, nicht als lebendiges Wesen.
    Es war die Person auf der Ikone!
    ***
    Manchmal kann sich Zeit dehnen. Da hat man das Gefühl, aus Sekunden werden Minuten.
    So erging es nicht nur mir, auch die Frau mußte ebenfalls so empfinden, denn es gelang ihr einfach nicht, ihr blasses Gesicht abzuwenden. Sie starrte mich ununterbrochen an, als wollte sie das Band zwischen uns aufbauen, um die Verbindung zu schaffen.
    Ich prägte mir ihre Gesichtszüge ein. Sie waren ziemlich schmal.
    Nur die dunklen Augen fielen auf und vielleicht die langen, lackschwarzen Haare, deren Frisur nicht mehr modern war.
    Ich ging einen Schritt zurück, um ihr Gelegenheit zu geben, die Treppe zu verlassen, sonst wäre sie noch gegen mich gelaufen. Sie zögerte noch, ging dann vor und blieb auf dem Bahnsteig stehen.
    »Kennen wir uns?« fragte ich vorsichtig.
    »Vielleicht, Monsieur.«
    »Ja, das ist möglich. Wissen Sie, woher ich komme?«
    »Nein.«
    »Aus London.«
    »Das wußte ich nicht, aber ich wußte, daß ich zum Bahnhof gehen mußte. Verstehen Sie?«
    »Nein, Mademoiselle.«
    Sie wußte nicht so recht, wie sie anfangen sollte. »Es… es war ein innerer Drang, ein Trieb. Sie können es auch meinetwegen mit dem Wort Befehl umschreiben. Jedenfalls wußte ich, daß ich hier am Bahnhof jemand treffen würde.«
    »Mich?«
    »Kann sein, ich weiß es nicht.«
    »Was macht Sie denn so relativ sicher?«
    »Mein Gefühl. Ich lief die Treppe hoch, ich sah Sie an deren Ende stehen und wußte Bescheid. Das kam über mich wie ein Blitzstrahl. Ich wollte und sollte sie hier treffen. Dabei haben wir uns noch nie im Leben gesehen, aber ich bin sicher, daß es etwas gibt, das uns gegenseitig verbindet.«
    »Mein Name ist übrigens John Sinclair.«
    Die Frau runzelte die Stirn, strich durch ihr Haar und dachte angestrengt nach. »Pardon, aber ich höre ihn zum erstenmal heute. Ist das schlimm?«
    Mein Lachen klang direkt fröhlich. »Nein, überhaupt nicht, Mademoiselle. Das ist gar nicht schlimm. Vielleicht kommt mir eine Idee, wenn ich Ihren Namen höre.«
    »Geron. Ich heiße Anne Geron. Von Beruf bin ich Lehrerin. Ich unterrichte das Fach Kunst.«
    Meinen Beruf verschwieg ich, schlug allerdings vor, den kalten Bahnsteig zu verlassen und irgendwo etwas trinken oder essen zu gehen. Damit war Anne Geron einverstanden.
    Nebeneinander schritten wir die Treppen hinab. Meine neue Bekannte hielt den Kopf gesenkt, wahrscheinlich steckte er voller Gedanken, was auch bei mir der Fall war.
    Ich dachte darüber nach, was diese Frau mit der auf der Ikone zu tun haben könnte. Ihr Eintreffen auf dem Bahnhof war eine der, großen Überraschungen in meinem Leben gewesen. Wieder einmal hatte das Schicksal Fäden gezogen, ohne daß ich dabei meine Hände im Spiel gehabt hatte. Es war schon seltsam, was hier ablief.
    Die Ikone selbst gehörte zu den sehr alten Kunstwerken, und ich überlegte, wie eine Person, die in der heutigen Zeit lebte, so genau auf das Bild gemalt werden konnte.
    Wir hatten die Treppe hinter uns gelassen. Anne blieb stehen und schaute sich um.
    »Sie müssen einen Vorschlag machen, Anne«, sagte ich. »Wo sollen wir hingehen?«
    »Es gibt einige Lokale hier im Bahnhof, die aber nicht so besonders sind.«
    »Ich wollte ja nicht groß essen gehen.«
    Sie nickte. »Bon, für einen Kaffee wird es schon reichen. Kommen Sie bitte.«
    Wir schritten durch die alte Bahnhofshalle. Sie war ziemlich leer.
    Die Menschen, die nicht zu den Reisenden zählten, konnte man in die Gruppe derjenigen einreihen, die gekommen waren, um sich aufzuwärmen, unter ihnen befanden sich zahlreiche Stadtstreicher beiderlei Geschlechts.
    Das Lokal nannte sich Bistro, war ziemlich klein und auf Weinpinte aufgemacht. Davon zeugte allein das künstliche Weinlaub, das von der Decke herabhing wie Luftschlangen im Karneval.
    Wir stellten uns an einen runden Stehtisch, beobachtet von den anderen Gasten, die nicht eben vertrauenerweckend aussahen. Die beiden Koffer hatte

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