062 - Das Moerderspiel
mechanisch ans Bett, sie brachte nicht das kleinste Lächeln zustande.
Elisabeth saß am Bettrand und betrachtete den Japaner. Er aß seine heiße Suppe mit Vorsicht, und der Dampf beschlug seine Brille. Er sah so hilflos aus wie ein Baby.
Zwischen zwei Löffeln Suppe fragte er: „Ich habe ein dauerndes Hin und Her unten gehört. Haben Sie Tauerns Mörder bereits gefunden?“
„Nein, aber es gab ein neues tragisches Ereignis“, sagte Elisabeth. „Professor Berger wurde vergiftet.
Er starb innerhalb von Sekunden unter unseren Augen, ohne daß wir das Geringste für ihn hätten tun können.“
Mitsubishi stellte seinen Teller auf das Tablett zurück und sah Elisabeth ungläubig an.
„Dann ist uns Martha davongelaufen, hinaus in den Sturm. Professor Jensen hat sich aufgemacht und ist ihr gefolgt.“
„Nach dem Tod von Berger und Tauern wird sie Angst bekommen haben. Aber mitten in der Nacht und bei der Lawinengefahr …“
„Wir glauben, daß sie lieber das Risiko eingeht, von einer Lawine erfaßt zu werden, als in unmittelbarer Umgebung eines Mörders zu bleiben“, sagte Elisabeth deprimiert.
„Ah! Wußte sie, daß Saturn …“
„Wir haben ihr nichts gesagt, aber sie konnte unsere Gespräche verfolgen. Jedenfalls hat Saturn bis jetzt sein Geheimnis nicht gelüftet.“
Zum erstenmal seit Stunden lächelte Misubishi. „Sie sind es nicht, und ich bin es auch nicht. Zumindest wir beide können einander vertrauen, nicht wahr?“
Er spürte Elisabeths Zögern und fügte hinzu: „Mademoiselle Sourbier, ich habe den Eindruck, Sie verdächtigen mich im selben Ausmaß wie die anderen. Obwohl ich mich aus diesem Zimmer praktisch nicht weggerührt habe und ich so stark fieberte, daß Ihre früheren Besuche hier für mich wie aus einem Traum stammen.“
„Jedenfalls geht es Ihnen jetzt besser.“
„Gott sei Dank. Ich glaube, ich kann sogar das Bett verlassen und Ihnen meinen bescheidenen Schutz anbieten. Wie spät ist es?“
Seine Uhr lag auf dem Nachttisch. Er folgte dem Blick der jungen Frau und sagte erklärend: „Ich habe vergessen, sie aufzuziehen, nun ist sie stehengeblieben.“
„Es ist zehn nach zehn“, sagte Elisabeth. Ihr Mißtrauen schwand. „Sie sind seit fünf Stunden hier in Ihrem Zimmer.“
Mitsubishi nickte. „Dieses Unwohlsein dauert nie länger.“ Er sah Elisabeth ins Gesicht und fragte: „Haben Sie die Suppe selbst zubereitet?“
„Essen Sie ohne Sorge“, beruhigte ihn Elisabeth. „Ich garantiere Ihnen, sie ist giftfrei.“
Der Japaner grinste. „Ich vertraue Ihnen. Also, wer ist Saturn?“
Während er weiteraß, sagte Elisabeth: „Ich habe nicht die leiseste Idee, ich weiß gar nicht, ob er tatsächlich existiert. Wie dem immer auch sei, irgend jemand hat Professor Tauern und Dr. Berger ermordet, und zwar ohne augenscheinliches Motiv. Wissen Sie, daß ich mit dem Schlimmsten rechnete, als ich hier in Ihr Zimmer trat?“
Mitsubishi schluckte den letzten Löffel Suppe. „Vorzüglich war sie, danke vielmals … Das heißt also, jeder in diesem Haus zittert gegenwärtig dem nächsten Toten entgegen, stimmt’s?“
„Mehr oder weniger“, gab Elisabeth zu. „Und ich muß gestehen, in meinem Fall ist es eher mehr als weniger. Wollen Sie etwa den Supermann spielen?“
Er putzte die Gläser seiner Brille, setzte sie umständlich auf und betrachtete die junge Frau. „Sehe ich so aus? Wenn ich so unbeeindruckt aussehe, dann deshalb, weil mir die ganze Geschichte ein wenig verworren scheint. Zuallererst muß ich Ihnen sagen, daß ich von Anfang an nicht an diese Entdeckung Tauerns geglaubt habe. Diese Art von Gehirnverpflanzung ist pure Utopie, sie ist einfach nicht durchführbar. Wenn wir das also in Betracht ziehen, haben wir es mit einem Mann wie Sie und ich zu tun … na, also meinetwegen: wie ich.“
Sie lächelte, mit einem amüsierten Zucken um die Mundwinkel.
Er nahm schnell ihre Hand. „Oder sind Sie vielleicht ein gut verkleideter junger Mann? Ich weiß nicht … Sie scheinen doch alles zu haben, was eine Frau …“
Elisabeth zog heftig ihre Hand zurück. „Dazu ist jetzt wirklich nicht die Gelegenheit, Professor! Während Sie zum Balzen ansetzen, kämpfen sich Martha und Jensen unter Todesgefahren durch den Schnee und die Kälte! Und in den Nachbarzimmern liegen zwei Leichen. Es tut mir leid, wenn ich es Ihnen so direkt sagen muß, aber Sie benehmen sich wie auf einer netten Abendgesellschaft, während der Tod rund um uns lauert. Stehen Sie
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