0628 - Die Geister vom Leichenbaum
Halifax gleich darauf an.
»Wenn sie unbedingt wollen.«
»Wie kommen wir am schnellsten zur ›Last Post‹?«
Er hob die Schultern. »Fahren Sie links ab, durch den Wald, dann sind wir da.«
»Okay.«
Sein Mund bekam einen spöttischen Ausdruck. »Und was wollen Sie in der Kneipe?«
»Jemanden besuchen.«
»Wilma Lane?«
»Wer ist das?«
»Die Wirtin. Sie sieht aus wie ein abgebrochener Bleistift mit einem Kopf.«
»Sehr klein also?«
»Schon mini.«
»Kennen Sie die Frau näher?«
»Nein, ich weiß nur, daß es sie gibt. Alles andere ist mir auch, verdammt noch mal, egal.«
»Wie Sie meinen.«
Ich entdeckte sogar ein altes Schild, das mich auf den richtigen Weg führte. Gepflastert war die Strecke nicht, dafür von mehreren Traktorspuren gezeichnet.
Der Weg durchschnitt eine Busch- und Baumlandschaft, war kurvig, aber nicht zu eng.
Nach etwa einer halben Meile endete er vor dem Parkplatz. In den letzten Minuten war mir wieder alles bekannt vorgekommen. Ich ließ den Rolls ausrollen und war kaum ausgestiegen, als die Tür der Gastwirtschaft aufschwang und tatsächlich eine sehr kleine Frau ins Freie trat. Ihre Größe hinderte sie allerdings nicht daran, mit beiden Händen einen doppelläufigen Schrotschießer festzuhalten, den sie auf mich richtete und ich sicherheitshalber stehenblieb.
Mit einer derartigen Begrüßung hatte ich nicht gerechnet. Hinter mir hörte ich das Lachen meines Begleiters. »Ja, die Kleine ist schon etwas Besonderes.«
»Darf ich näher herankommen?« fragte ich.
»Was wollen Sie?«
»Ich suche einen Freund!«
»Ach ja? Gehören Sie auch zu den verdammten Banditen, die mich besucht haben?«
Erst jetzt fiel mir auf, was mit der Fassade und den Fenstern geschehen war.
Die Mauer zeigte Löcher. Ich kannte mich aus und wußte, daß sie von Kugeleinschlägen stammten.
Wo einmal Scheiben gewesen waren, gähnten nur noch leere Vierecke, hinter denen sich das Dämmerlicht des Gastraumes ausbreitete.
»Welche Banditen?« fragte ich.
»Die uns fertigmachen wollten.«
Ich bekam einen trockenen Hals. Neben mir flüsterte Halifax. »Fragen Sie mal, wie viele es waren.«
Das tat ich.
»Drei!« lautet die Antwort. »Drei Hundesöhne. Einer sah schlimmer aus als der andere. Der Anführer besaß ein widerliches Pustelgesicht. Das Zeug näßte und eiterte.«
Da lachte Halifax. »Das waren meine drei Freunde, Sinclair. Wie schön, sie haben Wort gehalten.«
»Nette Freunde haben Sie.«
»Man kann sich auf sie verlassen.«
»Was ist mit Suko?« rief ich. »Er ist Chinese. Ich setzte ihn hier am Haus ab.«
»Den kenne ich…« Mrs. Lane antwortete abwartend, den Schrotschießer hielt sie noch immer fest.
»Er ist mein Freund und Kollege.«
»Sie sind auch beim Yard?«
»Ja, ich heiße John Sinclair. Warten Sie, ich zeige Ihnen meinen Ausweis.«
Sie ließ die Waffe sinken. »Nicht nötig, ich glaube Ihnen. Aber was macht Halifax bei Ihnen? Der sollte doch in der verdammten Anstalt Kokken.«
»Nicht mehr. Aber das ist eine lange Geschichte, Mrs. Lane. Mir geht es um Suko.«
»Er ist in den Ort gefahren. Ich lieh ihm meinen Wagen. Wir haben es überstanden. Wäre er nicht gewesen, hätten die drei Lumpenhunde aus der Gaststätte Kleinholz gemacht.«
»Erzählen Sie.«
Wilma Lane schaute mich an. »Wollen Sie nicht reinkommen?«
»Nein, Mrs. Lane, ich habe zu tun.«
Sie berichtete haarklein von den Vorfällen und stellte meinen Freund Suko groß hinaus. »Wenn er nicht gewesen wäre, hätte es wirklich bitter ausgesehen.«
»Was wollte er in der Stadt?«
»Den Typen auf den Fersen bleiben. Die suchten ja ihn.« Sie nickte in Halifax' Richtung.
»Die vier gehören zusammen.«
»Haben Sie ein bestimmtes Ziel genannt?« wollte Halifax wissen.
»Nicht direkt. Da wir ihnen erklärten, daß Sie in der Klinik sitzen, nehme ich an, daß sie dorthin gefahren sind. Sonst noch Wünsche, Mr. Halifax?«
»Nein.«
Ich sah ihr an, daß sie den Mann neben mir nicht leiden konnte. Da traf sie bei mir auf vollstes Verständnis.
»Ist Ihnen sonst noch etwas aufgefallen, daß ich wissen müßte, Mrs. Lane?«
»Nein, ich habe Ihnen alles gesagt.«
»Dann bedanke ich mich.«
»Wo wollen Sie denn jetzt hin?«
»Nicht in die Stadt, Mrs. Lane. Ich kann es zwar nicht beschwören, aber ich für meinen Teil glaube fest daran, daß Sie hier sicher sind. Ganz bestimmt sogar.«
»Das will ich hoffen.«
Als wir gingen, bedachten sie Halifax mit einem bösen Blick. Der ehemalige Söldner
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