0630 - Das Erbe der Yulocs
Hausecke.
Der Platz lag frei und leer vor ihm. Auf dem Würfel stand der Gleiter, unbeschädigt und verlassen. Aus der Entfernung sah er aus wie eine abstrakt geformte Figur auf einem Podest - wie ein technisches Denkmal.
Rhodan wartete noch einige Sekunden und hoffte, Gayt-Coor würde wieder auftauchen, aber als das nicht geschah, verließ er seine sichere Deckung und trat hinaus auf den Platz. Schnell und mit schußbereitem Strahler rannte er auf den Würfel zu.
Niemand behinderte ihn.
Atemlos stieg er die Stufen empor und setzte sich nach Abschaltung der positronischen Sperre auf die Plattform, um sich zu erholen. Von Gayt-Coor war noch immer nichts zu sehen.
Er wühlte in den Vorräten des - kleinen Lagerraums und aß.
Wasser war noch genügend vorhanden.
Allmählich wurde es immer dunkler. Die Nacht brach an.
Mit einigem Bedauern dachte Rhodan an das Erlebnis in der Kuppel zurück. Fast fiel es ihm leicht, die Gefühle und Motive der Sektierer, wie Gayt-Coor sie bezeichnet hatte, zu begreifen.
Freiwillig hatten sie ihre Welt von allem befreit, was die Natur ihnen gab, von aller Schönheit des Sternenhimmels, der wie nichts anderes das Leben und die Ewigkeit verkörperte. Sie hatten die Sonne verloren, der sie ihre Existenz zu verdanken hatten. Kein Wunder, wenn sie sich nach dem Verlorenen zurücksehnten und es suchten, wenn auch nur in der perfekten Illusion.
Doch selbst diese Illusion war vielleicht strafbar gewesen.
Drüben an den Häusern bemerkte Rhodan eine Bewegung, und dann erkannte er, Gayt-Coor, der mit einer zweiten Gestalt den Platz überquerte. Er schob sie vor sich her und drückte ihr den Lauf seines Strahlers in den Rücken. Alles war nur undeutlich zu sehen, mehr zu erraten. Aber es konnte kein Zweifel daran bestehen, daß der Petraczer einen Gefangenen gemacht hatte.
*
Das Wesen sah erbärmlich aus.
Der Körper selbst war verformt und unnatürlich gewachsen.
Der Kopf war der eines Yaanztroners, wenn die Ohren auch rund statt spitz waren. Das machte ihn zu Rhodans Verblüffung fast menschlicher.
„Er hat sich kaum gewehrt", sägte Gayt-Coor, indem er den Gefangenen zwang, sich auf den Boden des Würfels zu setzen.
„Die anderen sind verschwunden, als sei das Böse hinter ihnen her."
„Vielleicht verkörpern wir für sie das Böse."
„Vielleicht, aber nicht mit Sicherheit. Wir sind einfach das Unbekannte für sie, und es gibt genügend Lebewesen, für die das Unbekannte einfach auch das Böse ist." .
Rhodan nickte zustimmend und entsann sich der Geschichte der Menschheit, in der gerade dieser Faktor eine entscheidende Rolle gespielt hätte.
„Können wir ihn verstehen, wenn er spricht? Spricht er überhaupt?"
„Nauparo, einwandfrei. Sie können noch nicht lange hier isoliert leben, sonst wäre ein gewisser Dialekt herauszuhören. Ich hatte noch keine Zeit, ihn zu verhören. Ich mußte ihn nur besänftigen und beruhigen, damit er sich nicht wehrte. Und er verstand mich."
Sie sprachen Nauparo. Wenn Gayt-Coor also recht hatte mußte der Gefangene sie verstehen, Rhodan fühlte Mitleid mit ihm.
Instinktiv ergriff er für ihn Partei.
„Er kann nicht böse sein, vielleicht nur verzweifelt. Wenn wir ihn gut behandeln, erfahren wir manches, das wir wissen wollen."
„Ich habe nicht die Absicht, ihn zu foltern und dann umzubringen, Rhodan. Aber ich möchte ihm einige Fragen stellen, und wenn es sein muß, die Antworten erzwingen. Von diesen Antworten hängt zuviel ab übrigens auch für Sie.
Vergessen Sie das nicht."
Das war richtig.
Rhodan sah ein, daß der Mutant (wenn auch ein Mutant ohne geistige und parapsychologische Fähigkeiten, wahrscheinlich) ein Kronzeuge werden konnte. Und nicht nur das. Er konnte einen entscheidenden Hinweis bringen.
Als Gayt-Coor die ersten Fragen stellte, bekam er keine Antwort. Der Gefangene starrte ihn düster an und schwieg.
Vielleicht hatte er noch nie in seinem Leben einen Petraczer gesehen, und der Anblick verschlug ihm die Sprache. Aber Gayt-Coor gab nicht auf. Mit möglichst ruhiger Stimme redete er eindringlich auf den Krüppel ein und versuchte ihm klarzumachen, daß man ihm helfen wolle.
Die erste akustische Reaktion war die Gegenfrage: „Wie wollt ihr mir helfen? Mir kann niemand helfen."
„Dann sage uns, woher du kommst! Bist du hier geboren? Und wann ist das gewesen?"
Der Gefangene dachte angestrengt nach und schien sich dann entschlossen zu haben, den Widerstand aufzugeben. Es war nun fast ganz dunkel
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