064 - Das Steckenpferd des alten Derrick
als meine Doppelgängerin auftreten zu können. Zwillingsschwester? Nein, auch die habe ich nicht. Warum so weit suchen? Ich bin doch ein ganz normal aussehender Mensch, und so mag es Ähnlichkeiten geben, die zu Verwechslungen führen . . .« Ohne diese Möglichkeit weiter auszuspinnen, kam sie zum Schluß. »Wenn Sie mir schreiben wollen, Mr. Staines, würde mich Ihr Brief bis morgen in meinem Hotel erreichen.«
Die angedeutete Erwartung, von ihm ein Lebenszeichen zu erhalten, beglückte ihn. Doch als er sich von ihr verabschiedete, bekam er noch eine kalte Dusche. »Natürlich werden Sie mir nur schreiben, wenn Ihnen zufällig wieder einmal meine Doppelgängerin über den Weg läuft. In diesem Fall wissen Sie' also, Inspektor Staines, wo Sie mich finden können!«
7
Lordy Brown wartete bereits, als Staines das vereinbarte Kaffeehaus betrat. Auf Lordys Einladung hin bestellte sich Dick eine Limonade. Brown musterte sie mit kritischem Blick.
»Mir bekäme sie ja eigentlich auch besser«, meinte er, »aber ich habe wochenlang in Südafrika nichts anderes als dieses Zeug zu trinken bekommen und möchte nun endlich wieder einmal etwas Menschenwürdiges genießen. Hoffentlich haben Sie durch den unglückseligen Zwischenfall mit der jungen Dame keinen schlechten Eindruck von mir bekommen, Inspektor?« Lordy bemühte sich, dialektfrei zu sprechen, was ihm nur schlecht gelingen wollte. »Ich war ein wenig angeheitert, bin aber jetzt wieder nüchtern. - Kennen Sie Mr. Walter Derrick, meinen Freund?« fragte er gedankenvoll und war auf Staines bejahende Geste hin höchst überrascht. »Ja -«, meinte er dann, »Derrick ist ein feiner Kerl, nur ein bißchen zu leichtgläubig. Ich lernte ihn am Rande der Wüste kennen. Er hauste mit einem Mann namens Cleave in einem Zelt, und beide suchten Gold. Walter war von einem Löwen angefallen und ziemlich scheußlich zugerichtet worden. Er hatte sich noch einige Meter weit schleppen können und wäre verdurstet, hätte ich ihn nicht gefunden. Er hat bestimmt nicht vergessen, daß ich ihm das Leben rettete. Er wird mich mit offenen Armen empfangen: ›Na, mein alter Lordy‹, wird er sagen, ›wie geht's dir denn? Freue mich, dich zu sehen und dir dein gutes Werk vergelten zu können.‹ Ja, er ist ein richtiger Spaßvogel. Und Verstand? Na, Sie wissen ja, wie er ist.
Klug und geschickt. Alles, was er anfaßt, hat Hand und Fuß.« Er unterbrach sich, um genießerisch einen Schluck zu trinken. Dann fuhr er fort; »›Geld‹, wird Walter sagen, ›Geld spielt bei mir überhaupt keine Rolle - wieviel brauchst du?‹« »Hoffen wir, daß es so sein wird«, sagte Staines skeptisch. »Bestimmt. Wir Pioniere halten zusammen, sind andere Kerle als ihr hier. Mein Bruder war einer der ersten, die Südafrika mit erschließen halfen, und auch ich kenne das Land von Süd bis Nord, sogar in die Kalahari bin ich vorgedrungen, und sie hat ihre Schrecken für mich verloren.« Wiederum unterbrach er sich und überlegte, ob es wohl ratsam sei, dem Inspektor etwas mitzuteilen, was er bereits andeutungsweise gestreift hatte. Endlich entschloß er sich. »Es ist das beste, ich schenke Ihnen reinen Wein über mich ein, Sir. Sie werden ja doch alles herausbekommen, was Sie wissen wollen. Ich werde Ihnen hier zwar keine Scherereien machen, aber. .. Nun ja, ich habe schon ein paarmal -gesessen. Es hat gar keinen Zweck, Sie hinters Licht führen zu wollen. Das erstemal waren es nur zwölf Monate, das zweitemal dreieinhalb Jahre. Nur der Alkohol war beide Male daran schuld, Sir. Ich bin von Leuten verführt worden, die älter waren und verständiger hätten sein sollen. Jetzt kann mir das nicht mehr passieren. Ich habe erfahren müssen, daß sich Unehrlichkeit nicht lohnt.« »Was hatten Sie denn ausgefressen?« wollte Dick wissen. Lordy Brown hüstelte verlegen.
»Schlimm war es nicht, Sir. Jedenfalls war ich immer nur der Verführte.«
Er schien auf die Gründe, die ihn hinter schwedische Gardinen gebracht hatten, nicht sehr stolz zu sein. Als Staines in ihn drang, versuchte er es mit allerhand Ausflüchten, bequemte sich aber schließlich doch, die annähernde Wahrheit zu gestehen.
»Ich hatte einigen Goldsuchern ihre Nuggets abgenommen, Inspektor. Sie waren betrunken und auch ich nicht ganz nüchtern. Ich weiß heute noch nicht, wie ich auf den Gedanken gekommen bin. Die Polizei hat natürlich geschworen, ich sei nüchtern gewesen, und so wurde ich eben hinaufgeschickt - Pretoria, Zentralgefängnis,
Weitere Kostenlose Bücher