Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
064 - Das Steckenpferd des alten Derrick

064 - Das Steckenpferd des alten Derrick

Titel: 064 - Das Steckenpferd des alten Derrick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
Vom Netzwerk:
hatte. Plötzlich hörte er rufen. Es war Minns, der ihm gefolgt war.
    »Bitte, Mr. Staines, gehen Sie nicht weiter - die junge Dame sagte mir, daß irgendwo auf der Treppe Selbstschüsse gelegt sind.«
    Staines kehrte um.
    »Bringen Sie mir meine Lampe -«, befahl er vom Balkon aus, »sie steht neben meinem Bett.«
    »Bitte, nehmen Sie sich um Gottes willen in acht, Sir!« Warum war der Diener so entsetzt? Hatte er wirklich soviel Sympathie für ihn, den Gast seines Herrn? Staines nahm die Lampe aus Minns' Hand und leuchtete den Gang ab. Ja - dort lag das Selbstschußgewehr, und zwar so geschickt versteckt, daß niemand, auch bei Licht nicht, es rechtzeitig hätte bemerken können. Er stieg über den ausgespannten Faden, der am Abzug befestigt war, hinweg, vorsichtig der Mündung der mörderischen Waffe ausweichend. Langsam ließ er den Abzug zurücksinken, bis jede Gefahr beseitigt war. Die Falle war altmodisch, hätte aber bestimmt ihren Zweck erfüllt.
    »Miss Dane verlangt Sie am Apparat!« rief Minns ihm zu.
    Staines ging in sein Zimmer zurück und nahm den Hörer auf.
    »Bist du es. Dick? Oh, Liebling, warst du drüben? Gott sei Dank, daß dir nichts passiert ist! Hast du es gesehen?«
    »Du meinst die Flinte? Ja.«
    »Liebling, ich kam halb um vor Angst hier. Warum bist du hinübergegangen? Ich bat dich doch, es nicht zu tun?« »Woher wußtest du, daß die Falle vorhanden war?« »Ich dachte es mir. Nein, ich wußte es nicht. Jemand hatte mir etwas erzählt, und so kam ich auf den Gedanken. Versprich mir, daß du nicht wieder hinübergehen wirst.« »Ja, wenn auch du nicht hinübergehst!« Ein langes Schweigen.
    »Drei Minuten sind um -«, brach die Stimme der Telefonistin das drückende Schweigen.
    »Ja, ich verspreche es dir«, sagte Mary schnell. »Ich werde nur mit dir hinübergehen.«

24
    Tommy Weald saß in seinem Hotelzimmer im Lehnstuhl und machte eine geistige Inventur. Viele mochten ihn nicht für besonders intelligent halten, aber gleichwohl war Tommy klüger als mancher andere. Er war nicht übermäßig reich, dazu war er zu sorglos mit seinem Geld umgegangen. Er hatte es aber fertiggebracht, das reduzierte Vermögen seines Vaters, erheblich zu mehren. Es gelang ihm, der Börse das Geld, das sein Vater verspielt hatte, wieder abzunehmen. Vielleicht war es gerade sein harmloses Aussehen, das die Leute täuschte. Man hatte ihm Tips gegeben, aus Gutmütigkeit, weil man mit seiner geistigen Beschränktheit rechnete. Die Spekulationen hatten sich als glücklich erwiesen, und sein Vermögen war langsam gestiegen.
    Er hatte einer seiner Erbtanten die Verlobung mitgeteilt und daraufhin ein Glückwunschschreiben erhalten, das mit der Bemerkung schloß; ›Es ist natürlich dringend notwendig, sich nach den Eltern Deiner Braut zu erkundigen. Viele junge Mädchen haben das beste Benehmen und sind demzufolge schwer von wirklichen Damen aus guter Familie zu unterscheiden‹.
    Seine Antwort auf diesen Brief war alles andere als diplomatisch. Er heirate Mary, nicht ihre Familie, es mache ihm gar nichts aus, wenn ihr Vater sein Leben durch Lumpensammeln friste - und so weiter in diesem Ton. War er aber allein, dann wurde ihm beim Gedanken an die geheimnisvolle Vergangenheit seiner zukünftigen Gattin doch etwas unheimlich. Das Leben bestand ja nicht aus lauter Sonnenschein, wie er eine Zeitlang in der ersten Liebesfreude geglaubt hatte.
    Tommy stand auf und ging im Zimmer auf und ab. Er wurde ungeduldig, und so kam es, daß er eine Viertelstunde zu früh vor dem Haus der Geliebten eintraf. Das Warten in dem langsam, aber ununterbrochen herabrieselnden Regen war nicht gerade angenehm. Den einzigen Zeitvertreib lieferte ein Betrunkener, der singend und gestikulierend die Gegend unsicher machte.
    Endlich löste sich aus dem Dunkel des Gartens eine schattenhafte Gestalt und kam auf den Wartenden zu.
    »Oh, mein armer Tommy«, flüsterte das Mädchen dem triefenden Bräutigam zu, »ich hatte keine Ahnung, daß es regnet. Wie rücksichtslos von mir! Ich hätte schon lange hier sein können, wenn ich mich ein wenig beeilt hätte.«
    »Schadet nichts, Liebling«, tröstete sie der Lord. »Wenn ich hätte warten wollen, bis der Regen aufhört, hätte ich dich wahrscheinlich heute abend überhaupt nicht zu sehen bekommen.«
    Sie hakte sich in seinen Arm ein. Eine Weile spazierten sie trotz des Regens im Garten hin und her, bis das Mädchen auf eine Schaukel aus Zeltleinwand zeigte, die ihnen als Regenschutz dienen

Weitere Kostenlose Bücher