064 - Der Frauenhexer
Gummilinse gepreßt, nahm der Kameramann den‚ Toten’ aus nächster Nähe auf.
„Das war schon recht gut. Auf ein paar Kleinigkeiten müssen wir noch achten.“ Schultz-Breitenberg erklärte, was ihm aufgefallen war. „Das ganze noch einmal. Mit etwas Glück haben wir die Szene beim zweitenmal im Kasten.“
So war es auch. Die Mittagspause wurde eine Dreiviertelstunde verschoben. Dann notierte das Script-Girl: 8.45 Uhr-13.50 Uhr. Einstellung 503. Okay. Zwei Aufnahmen. Eins fehlerhaft, zwei brauchbar. Zwei kopieren. Szenen: Hexen ziehen zum Galgenwirtshaus, wo Hexer und andere Hexen auf sie warten. Räuber greifen an. Kampf zwischen Gruppe um Hexer und Räuber. Materialverbrauch: 508 Meter. Anmerkung: Trickeffekte (Studio) werden eingefügt.
„So, Kinder, das haben wir. Nach dem Essen geht es auf Burg Falkenfels weiter.“ Schultz-Breitenberg war sehr zufrieden mit der Leistung dieses halben Drehtags. „Jetzt habt ihr mal gesehen, wie so ein Spuk zustande kommt.“
Irgendwo in dem alten Haus gellte ein schauriges Gelächter. Als es verhallte, sahen die Schauspieler und die Mitglieder des technischen Stabes einander an.
„Schau mal rein, Rainer“, forderte Schultz-Breitenberg den Regieassistenten auf.
Der rotblonde junge Mann ging ins Galgenwirtshaus. Schon kurze Zeit später kam er wieder heraus, zuckte mit den Schultern.
„Also wieder keiner zu sehen“, sagte Schultz-Breitenberg grimmig. „Irgendwann erwische ich diesen Burschen, und dann zerkrümele ich ihn.“
Sie fuhren ins Hotel. Ein paar Männer und Frauen aus der Stadt warteten im Foyer. Sie musterten die Filmleute feindselig.
„Was haben die? Wir haben den Hotelbesitzer doch nicht umgebracht“, murrte einer der Schauspieler.
Gegen 15.00 Uhr traf das Filmteam auf Burg Falkenfels ein. Zunächst sollte die Hinrichtung zweier Hexen gedreht werden, danach die Gerichtsverhandlung und die Verurteilung Gilbert Signefeus, Roxane von Falkenfels’ und einer Hexe.
Im Burghof war der Scheiterhaufen bereits errichtet. Auf Anordnung des Regisseurs wurden Linda Scholz und Liliane Hillfahrt Rücken an Rücken an den Pfahl auf dem Scheiterhaufen gestellt, die Stricke und Ketten lose um ihre Hand – und Fußgelenke geschlungen.
Statisten umringten den Scheiterhaufen, unter ihnen Richter mit weißer Halskrause und zwei Henkersknechte mit freiem Oberkörper und roten, spitzen Kapuzen, die brennende Fackeln in den Händen hielten. Ein Priester betete in lateinischer Sprache. Aus den Fenstern der Burg und von den Quergängen sahen weitere Statisten als Zuschauer zu.
Für die Massenszene der Hinrichtung waren zweihundert Statisten angereist. Ihre Plazierung nahm einige Zeit in Anspruch.
Auch diese Szene wurde ohne Ton gedreht. Trotzdem mußte Linda den Text sprechen, denn die Mimik mußte mit dem später synchronisierten Text übereinstimmen.
„Weh mir, daß ich so unschuldig sterben muß“, rief Linda Scholz. „Fluch über dich, Gilbert Signefeu. In alle Ewigkeit sollst du im Höllenfeuer brennen!“
Ein Herold las das Urteil vor. Der gramgebeugte Graf Bodo von Falkenfels, der Vater der Unglücklichen, wurde aufgenommen. Dann stießen die Henker die Fackeln in den Scheiterhaufen. Flammen loderten, Rauch stieg auf.
Doch nur auf einer Seite des Scheiterhaufens. Als das Surren der Kameras verstummte, stiegen Linda Scholz und Liliane Hillfahrt auf der nicht brennenden Seite herunter. An ihrer Stelle wurden zwei Puppen an dem Pfahl festgebunden.
Die Menge der Statisten brach in Beifall aus, als die Flammen sich prasselnd ins dürre Holz fraßen, jetzt schon die Füße der Puppen, der gefesselten Hexen, umzüngelten.
„So soll es aller Hexenbrut ergehen“, rief der oberste Richter.
Plötzlich griff er sich an die Brust. Sein Gesicht verfärbte sich. Er brach zusammen. Gleichzeitig stürzten die beiden Henker, rangen röchelnd nach Luft.
Schultz-Breitenberg wurde aufmerksam, drängte sich durch die Menge. Nur die Kamera, die den brennenden Scheiterhaufen aufnahm, lief jetzt.
„Albert! Albert, was ist mit Ihnen?“
Rief der Regisseur und beugte sich über den am Boden liegenden Mann in der Richterrobe.
Thorsten Thorn kam hinzu.
„Das sieht aus wie ein schwerer Herzanfall“, sagte er. „Bringt ihn weg.“
Die beiden Schauspieler, die die Henker spielten, krümmten sich am Boden.
„Luft!“ röchelte der eine. „Luft!“
Hilfreiche Hände rissen ihnen die roten Kapuzen weg.
„Vielleicht ist das Holz imprägniert und der Rauch
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